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Einstweiliges Ende der riesigen Exportüberschüsse

■ Weniger Unordnung in Europa: Negative deutsche Leistungsbilanz

Frankfurt (dpa/taz) — Stark steigende Importe und ein reger Auslandsverkehr haben im Januar die deutsche Leistungsbilanz erstmals seit August 1985 wieder ins Minus rutschen lassen. Damit deutet sich eine nachhaltige Wende in den außenwirtschaftlichen Beziehungen des „Exportweltmeisters“ an. Vor allem bei den EG-Nachbarn waren die Deutschen mit ihren riesigen Exportüberschüssen in der zweiten Hälfte der 80er Jahre als „die Japaner Europas“ attackiert worden.

Im Leistungsverkehr der Bundesrepublik wird der Außenhandel, der Dienstleistungsverkehr (darunter Tourismus und Frachtraten) sowie Übertragungen (von ArbeitsemigrantInnen und an internationale Organisationen) erfaßt. Die enormen Außenhandelsüberschüsse der Exportnation „West-Germany“ haben in der Regel immer ausgereicht, um die riesigen Fehlbeträge im Dienstleistungsverkehr mehr als auszugleichen, die vor allem deutschen UrlauberInnen im Ausland verursachten.

Aufgrund der im Westen ungebrochen guten Inlandskonjunktur und dem Nachfragesog nach Importwaren in der ehemaligen DDR sind die Einfuhren im Januar gegenüber dem gleichen Vorjahresmonat um 24 Prozent auf 55,7 Milliarden DM gestiegen. Die Exporte gingen gleichzeitig um 2,1 Prozent auf 57 Milliarden DM zurück. Damit verblieb nur ein Mini-Überschuß in der Handelsbilanz von 1,3 Milliarden DM, der schon den Fehlbetrag aus der Reisetätigkeit nicht mehr decken konnte.

Nach Darstellung der Bundesbank ist allein im Auslandsreiseverkehr im Januar ein Defizit von 2,0 Milliarden DM entstanden. Die gesamte Dienstleistungsbilanz (einschließlich Tourismus) wies im Januar einen Fehlbetrag von 3,0 Milliarden DM auf. Hinzu kam der Passivsaldo in der Übertragungsbilanz, der 3,3 Milliarden DM erreichte.

Unter dem Strich ergibt sich somit das Loch in der zusammengefaßten Leistungsbilanz von 1,2 Milliarden DM. Im Dezember war noch ein Aktivsaldo von 3,3 Milliarden und im Januar 1990 ein Riesenüberschuß von 10,2 Milliarden DM (alte Bundesrepublik) verbucht worden.

Der „Ausrutscher“ nach unten zum Jahresbeginn braucht sich in den kommenden Monaten nicht zu wiederholen, er läutet aber eine generelle Trendwende ein. Die Zeit enormer Milliardenüberschüsse in der Handels- und Leistungsbilanz dürfte auf absehbare Zeit vorbei sein, auch, weil die schwache Auslandskonjunktur der wichtigsten West-Handelspartner deren Einkaufswünsche deutlich gedämpft halten wird.

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