: Petre Roman wird Chef der „Front“
■ Die rumänische Regierungspartei soll sich zu einer sozialdemokratischen Partei entwickeln
Bukarest (afp/ap) — Der rumänische Ministerpräsident Petre Roman ist am Sonntag an die Spitze der regierenden „Nationale Rettungsfront“ gewählt worden. Zum Abschluß des Nationalversammlung der Rettungsfront, die am Wochenende in Bukarest stattfand, nahmen die Abgeordneten außerdem mit 988 gegen 58 Stimmen das Plattform- Programm Romans an. Der Ministerpräsident bekleidet nun in der Regierungspartei gleichzeitig die Ämter des „nationalen Führers“ und des „Präsidenten des Direktorenkollegiums“. Ihm stehen nach dem neuen Parteistatut, das ebenfalls von einer Mehrheit der Abgeordneten per Handzeichen angenommmen worden war, ein Exekutivpräsident und elf Vizepräsidenten zu Seite. Zum „nationalen Führer“ war Roman bereits vor einiger Zeit gewählt worden. Der frühere Amtsinhaber, Ion Iliescu, mußte den Posten in der Regierungspartei gemäß dem Wahlstatut abgeben, als er im Mai zum Präsidenten Rumäniens gewählt worden war. Damit hat sich der reformfreudiger Flügel in der Front durchgesetzt, das Votum für Roman war in dieser Höhe eine Überraschung. Noch zu Beginn des Parteitages sprachen Beobachter von der Gefahr einer Spaltung der Front. Ministerpräsident Petre Roman, der in seinem ersten Statement auf dem Parteitag von der Notwendigkeit der Umwandlung der Front in eine sozialdemokratische Mitte-Links Partei sprach, hatte in seinem Vorgänger im Amt des Parteichefs, Staatspräsident Ion Iliescu, seinen Gegenspieler. Während Roman bei den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Reformen auf das Tempo drücken will, will Iliescu einen langsameren Kurs fahren und auf einige marktwirtschaftliche Elemente vorerst verzichten. Die beiden ehemaligen Gefährten gegen das Ceausescu-Regime hatten schon vor dem Kongreß versucht, ihre jeweilige Hausmacht in der Parteimitgliedschaft zu vergrößern. Zeitungen in Bukarest schlossen nicht aus, daß beide Politiker bei den Parlamentswahlen im Sommer 1992 an der Spitze unterschiedlicher Parteien gegeneinander antreten könnten.
Gleich zu Beginn des zweitägigen Kongresses am Samstag war Roman wegen seines Reformkurses unter heftigen Beschuß geraten. Nicolae Dumitru, einer der Vizepräsidenten der Rettungsfront, hielt ihm vor, daß die Marktwirtschaft kein Selbstzweck sei. Er erwähnte innere Widersprüche in der Rettungsfront sowie Widersprüche zwischen Rettungsfront und Verwaltung.
Erst Mitte der Woche war Vizepräsident Iordache von seinem Amt zurückgetreten, weil er mit seinem Vorstoß gescheitert war, daß sich die Partei und von alten kommunistischen Kadern in der Verwaltung lossagen solle. Roman hatte zunächst Mängel in der Organisation und Leitungsstruktur der Partei eingeräumt. Der Organisationsgrad auf dem Lande sei zu gering. Außerdem finde zu wenig Kommunikation zwischen den Parteiebenen statt. Die Nationale Rettungsfront war kurz nach dem Sturz des Ceausescu-Regimes im Dezember 1989 offen aufgetreten. Bei der Parlamentswahl im Mai 1990 erhielt sie die absolute Mehrheit.
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