: “Selbstbedienung für Großunternehmen“
■ Kritik an Senatsstudie zur Rüstungskonversion / Kein Konversionsbeirat vorgesehen
“Der Bericht der senatorischen Arbeitsgruppe zur Rüstungskonversion ist für uns eine große Enttäuschung.“ Mit diesen Worten kritisierte der wissenschaftliche Mitarbeiter der Bremer Stiftung für Rüstungskonversion, Christoph Butterwegge, den Abschlußbericht einer Senats-Arbeitsgruppe über die Abrüstungsfolgen für das Land Bremen (vgl. taz vom 18.3.1991). Butterwegge rügte vor allem das Fehlen eines Bremer Weges: „Man darf nicht zu sehr nach Bonn oder Brüssel gucken, sondern Bremen muß am Anfang der Konversionspolitik stehen“, erklärte der Wissenschaftler gestern gegenüber der taz.
Schwachpunkt der spezifisch bremischen Handlungsmöglichkeiten sei die Vergabepraxis der Fördermittel aus dem Konversionsfonds. In dem Abschlußbericht heißt es ausdrücklich: „Mittel des Konversionsfonds können vorrangig für Konversionsprojekte vergeben werden ..., müssen letztendlich jedoch offen bleiben für den Wettbewerb aller Unternehmen“ (Hervorhebung im Original durch Unterstreichen, d.Red.) Damit würden nicht nur Unternehmen gefördert, die von Rüstungsprodukten auf zivile Güterfertigung umstiegen, sondern schlicht alle innovativen Techniken, deren Einführung auf dem Markt mit unternehmerischem Risiko verbunden seien. „Damit wird der Konversionsfonds ein Selbstbedienungsladen für Großunternehmen, die nichts mit Rüstung zu tun haben“, befürchtet Butterwegge. Unverbindlich sei auch die Speisung des Fonds vorrangig aus Drittmitteln.
Grüne: Äußerst mager
In die gleiche Richtung zielt auch eine erste Kritik der Grünen an dem Bericht der Konversionsarbeitsgruppe. Der Bremerhavener Abgeordnete Manfred Schramm bezeichnete das Resultat als „äußerst mager“. „Auf die Unternehmer zu vertrauen, daß sie die finanziellen Hilfen zur Konversion schon richtig einsetzen werden, ist reichlich blauäugig.“ Schramm vermißt in dem vorliegenden Bericht auch die Vorschläge betroffener Arbeitskreise in den Rüstungsunternehmen, die sich seit Jahren mit dem Thema Konversion beschäftigen. „Der Senat hat die Arbeitskreise nie als ernstzunehmende Gesprächspartner akzeptiert,“ und stattdessen auf die Konzernspitzen vertraut, kritisierte der Grüne.
Ebenfalls unberücksichtigt bleibt in dem Abschlußbericht der Senatsarbeitsgruppe ein Konversionsbeirat. „Neue formale Strukturen ... bewirken erfahrungsgemäß für sich genommen nichts und erfüllen die in sie gesetzten Erwartugen nicht... Rüstungskonversion wird aber nicht primär durch Bildung starker neuer Institutionen gefördert, sondern ... dadurch, daß die Risiken für Investitionen in neue zivile Zukunftsmärkte konkret gesenkt werden können“, erklärt die Arbeitsgruppe des Senats zu diesem Thema. Die „Gesprächsrunde“, die stattdessen im Wirtschaftsressort mit Unternehmen, Politikern, Kammern und Gewerkschaften geführt werden soll, ist den Kritikern zu unverbindlich. Butterwegge: „Wir brauchen eine Institution, die die Konversion politisch vorantreibt und für die Vergabe der Mittel verantwortlich ist.“ Anders sei kaum zu gewährleisten, daß sich das Engagement der Unternehmen über weitere Zeiträume erstrecke als bis zum Ablauf des nächsten Subventionsantrages.
Der Abschlußbericht der Senatsarbeitsgruppe lasse überdies erkennen, daß der Bremer Senat kein Interesse an der Umgestaltung der bremischen Wirtschaft auf zivile Beine hat. „Im wesentlichen läuft es darauf hinaus, die Abrüstung politisch für den Rückgang der Aufträge verantwortlich zu machen und dies gleichzeitig zu bedauern“, erklärte Christoph Butterwegge. Erhebliche Teile des Berichtes zum Thema „Liegenschaften von Bundeswehr und US-Army“ liefen darauf hinaus, Bremen, das Umland und Bremerhaven als Standort für Truppenverbände zu erhalten.
Heute wird sich der Senat in seiner Sitzung mit dem Konversionspapier der Arbeitsgruppe beschäftigen.
mad
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