: Nur die Tiefe der Scheiße ändert sich
■ Schwarze Fahnen in Cottbus und Löbau/ In Chemnitz Protest vor dem Marx-Denkmal
Cottbus/ Chemnitz/ Löbau. Schwarze Fahnen wehten auf der Cottbusser Montagsdemonstration als Zeichen der Empörung über das Sterben der Textilindustrie. Von den 12.500 Arbeitsplätzen in der Region ist die Hälfte akut gefährdet. Massenentlassungen gab es im Textilkombinat Cottbus (tkc), den Tuchfabriken Cottbus und Forst, der Gubener Wolle, Feintuch Finsterwalde und Gubener Hüte. Die Spree Tex GmbH ging in Konkurs.
Brandenburgs Arbeitsministerin Regine Hildebrandt sprach sich vor mehreren tausend Cottbussern für den Erhalt der Industriestandorte aus, selbst wenn sich die Zahl der Beschäftigten in diesem traditionellen Zweig erheblich verringern werde. Betriebsgelände, deren Infrastruktur und Umgebung saniert werden, sollten durch ABM-Kräfte für die Neuansiedlung von Industrie attraktiv gemacht werden. Mehrere Redner auf der von der IG Textil und Bekleidung organisierten Kundgebung erinnerten daran, daß Kanzler Kohl im Vorjahr auch in Cottbus versprochen hat, keinem werde es nach der Einheit schlechter gehen. Die derzeitige Stimmungslage vieler verdeutlichten dagegen Losungen wie: „In der Scheiße standen wir schon immer, nur die Tiefe ändert sich ständig“.
In Chemnitz versammelten sich am Montag nachmittag Tausende Mitglieder der Gewerkschaft Textil/ Bekleidung (GTB) und Sympathisanten vor dem Marx-Denkmal. In der südwestsächsischen, als Hauptstandort der Branche in den neuen Bundesländern geltenden Region ist bereits jetzt nahezu jeder zweite Beschäftigte des Industriezweiges — etwa die Hälfte der rund 140.000 Textil- und Bekleidungsarbeiter der Ex-DDR waren hier bisher tätig — ohne Arbeit. Ihren Sorgen um die Zukunft der Region gaben zur gleichen Zeit auch 10.000 Beschäftigte und Kurzarbeiter aus der Oberlausitzer Textil- und Bekleidungsindustrie Ausdruck. Hier ist mit dem Sterben der Branche der Exodus aus der als „Brücke in den Osten“ bezeichneten Region zu erwarten, machten die Kundgebungsteilnehmer unter schwarzen Fahnen auf dem Markt in Löbau deutlich. Sie forderten vom Biedenkopf-Kabinett in Dresden und von der Treuhand ein Regionalförderprogramm analog dem, das seinerzeit als Zonenrand-Förderung installiert worden war.
Die Montagsdemonstration in Leipzig, zu der Bürgerbewegungen und IG Metall aufgerufen hatten, war eine der größten der letzten Monate. adn
(Siehe dazu unseren Bericht im vorderen Teil dieser Zeitung.)
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