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Ermittlungsverfahren gegen Vopos

■ Staatsanwaltschaft spricht von über 50 Verfahren mit den Polizeiübergriffen vom 7./8. Oktober 89 in Ost-Berlin/ Häufiger Tatverdacht: Körperverletzung und Nötigung/ Ein Vorgang betrifft Mielke

Berlin. Die Berliner Staatsanwaltschaft am Landgericht prüft zur Zeit, ob im Zusammenhang mit den Ostberliner Polizeiübergriffen vom 7./8. Oktober 1989 weitere Ermittlungsverfahren eröffnet werden müssen. Nach Angaben von Justizsprecherin Jutta Burghart wurde der Staatsanwalt am Landgericht, Wittkowsky, vor kurzem als Sonderbeauftragter mit der Auswertung der Akten beauftragt, die am 3. Oktober von Ost-Berlin übernommen wurden. Erste Schätzungen hätten ergeben, daß mit über 50 Ermittlungsverfahren gegen ehemalige Angehörige der Volkspolizei vor allem wegen Körperverletzung und Nötigung zu rechnen sei. Burghart wollte nicht ausschließen, daß auch gegen den einen oder anderen Führungsoffizier ermittelt wird, wollte aber keine Namen nennen. Ein Aktenvorgang im Zusammenhang mit dem 7./8. Oktober 89, der jedoch bei der Staatsanwaltschaft beim Kammergericht liege, betreffe auch den ehemaligen Leiter des Ministeriums für Staatssicherheit, Erich Mielke.

Nach Angaben der Justizsprecherin waren etliche der Ermittlungsverfahren zuvor von der Staatsanwaltschaft der DDR eingestellt worden. Diese Fälle würden jetzt von dem Sonderbeauftragten der Staatsanwaltschaft am Landgericht, Wittkowsky, einer neuen Prüfung unterzogen. Einige der eingestellten Verfahren seien bereits wieder eröffnet worden, die genaue Zahl könne aber noch nicht genannt werden. Der Grund: Wittkowsky müsse sich die Ermittlungsakten vom 7./8. Oktober 89 mühsam im Kriminalgericht Moabit in den einzelnen Abteilungen der Staatsanwaltschaft zusammensuchen, weil zunächst eine Verteilung nach dem Anfangsbuchstaben des Beschuldigten erfolgt sei. Von etwaigen Ermittlungsverfahren gegen die SED-Politbüro-Mitglieder Egon Krenz und Günther Schabowski war Burghart nichts bekannt. Über den Aktenvorgang Erich Mielke vermochte sie keine Auskünfte zu geben, weil der zuständige Sachbearbeiter bei der Generalstaatsanwaltschaft am Kammergericht in Urlaub sei. Die Justizsprecherin bestätigte den Bericht der unabhängigen Untersuchungskommission zu den Ereignissen vom 7./8. Oktober, die am vergangenen Donnerstag von insgesamt 14 Verurteilungen im Zusammenhang mit den Polizeiübergriffen gesprochen hatte. Wie berichtet, hatte die Kommisson ihre Arbeit sofort nach den Polizeiübergriffen begonnen. Die Arbeit drohte immer wieder an den Vertuschungsmanövern der für die Polizeieinsätze Verantwortlichen zu scheitern. Als ihr im Januar 1990 schließlich Einsicht in Beweisunterlagen gewährt wurde, stellte sich heraus, daß schon vieles vernichtet oder beseitigt worden war. Am 3. Oktober gingen die von der Kommission zusammengetragenen Unterlagen an die Westberliner Justiz über. Seither versuchten Kommissionsmitglieder immer wieder, einen Ansprechpartner beim Senat zu finden, um in Erfahrung zu bringen, was aus den Verfahren wurde. Gehör fanden sie bislang nicht. plu

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