piwik no script img

KOMMENTARMetropole sein

■ Olympia-Chef warnt vor Ausländerfeindlichkeit

Tor! Der erste Schuß, den Olympia-Manager Lutz Grüttke gestern plazierte, landete voll in der Berliner Magengrube. Ausländerfeindlichkeit nicht zuzulassen — diese Warnung Grüttkes an die Politiker und Bewohner dieser Stadt werden manche im Senat als Eigentor betrachten. Dabei tut der auslandserfahrene Manager nichts anderes, als den Berlinern den Spiegel vorzuhalten. Grüttke spricht gerne von »messages«, seine Botschaft an die Hauptstädter lautet: Deutschlands größte Stadt muß lernen, aus den Augen der ganzen Welt betrachtet zu werden, wenn es von den Nationen dieser Erde als Gastgeber Olympischer Spiele akzeptiert werden will.

Jahrzehntelang schottete die Mauer nicht nur Ost-Berlin ab, sondern auch den Westteil der Stadt. Wie anders ließ sich die Hysterie erklären, mit der viele Westberliner auf den Polenmarkt reagierten, wie anders die Unverfrorenheit, mit der die CDU Stimmung machte gegen fliegende Händler aus osteuropäischen Ländern, gegen Ausländerwahlrecht und türkische Gangs. Jahrzehntelang reichte es den Berlinern, ihre Stadt Metropole zu nennen. Jetzt muß sie lernen, es zu werden.

Wenn Grüttkes Sympathiefeldzug diesen Lernprozeß fördert, dann sollte man ihm die Sympathie nicht verweigern — obwohl einige seiner Vorstellungen reichlich naiv anmuten. Ein »Unternehmen Berlin«, wie es sich Diepgen lauthals wünscht und wie es Grüttke gestern beschwor, das wäre das Gegenteil einer lebendigen Großstadt. Eine Firma kann ihre Mitarbeiter auf eine corporate identity verpflichten. Eine Metropole hat keine Stromlinienform. Hans-Martin Tillack

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen