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Der Markt für Personal Computer wird neu aufgeteilt

Der Kaiser kommt in neuen Kleidern: Microsoft stört mit der modernisierten Version des alten Betriebssystems DOS die Kreise der Apple-Produzenten  ■ Aus Hannover Frank Holzkamp

Dichtes Gedränge in Halle 6 auf der Computermesse Cebit. Eine metallische Stimme quäkt: „Ich bin ein sprachgesteuertes, interaktives Computerprogramm. Ich weiß alles. Ich bin intelligent. Willst Du mich etwas fragen?“ Auf einem Monitor schneidet ein computeranimiertes Mondgesicht Grimassen. Wer sich auf ein Schwätzchen mit „Toshi“ einläßt, merkt bald, daß da keinesfalls Chips und Bits dumme Antworten auf dumme Fragen geben. In den Kulissen sorgt ein menschlicher Spaßvogel für Zulauf am Stand eines japanischen Herstellers.

Doch bei allen Versprechungen: „Die Spracherkennung wird in frühestens zehn Jahren marktreif entwickelt sein“, sagt Renate Knüfer, Marketing-Chefin bei Apple Deutschland. Den innovationsfreudigen PC-Produzenten plagen zur Zeit allerdings andere Sorgen als die Spracherkennung. Auf dem Markt für Personal-Computer — wie gehabt mit Monitor, Maus und Tastatur — werden die Karten neu gemischt. Das dominierende, aber langweilige Betriebssystem für IBM-PCs, DOS von Microsoft, hat sich bunte Kleider schneidern lassen: Windows 3.0 beschert dem besseren IBM- und IBM- kompatiblen PCs eine graphische Benutzeroberfläche.

Kaum noch lästiges Befehletippen

Ein Betriebssystem organisiert den Datenfluß zwischen den Anwenderprogrammen und dem Rechner; es verwaltet die Dateien auf Diskette und Festplatte. Die Ergänzung Windows für das Betriebssystem DOS erspart nun das lästige Befehleeintippen weitgehend — stattdessen kann die Benutzerin mehr oder weniger sinnhafte Symbole auf dem Bildschirm anklicken. Die Auswahl aus dem Programmangebot erfolgt per Bildschirmfenster und Menüleiste. Weitere Vorteile: Es können mehrere Anwendungen gleichzeitig gestartet werden, die Bedienung der für Windows entwickelten Programme ist vereinheitlicht.

Dieses Softwarekonzept war im professionellen Bereich bislang die Domäne von Apple. Dort sahen die Softwarentwickler mit der „intuitiven Benutzerführung“ der MacIntosh-PCs eher mitleidig auf DOS herab. Auf dem Messestand vor Microsoft ist man deshalb jetzt hochzufrieden — und vom eigenen Windows-Erfolg wohl selber überrascht. Bereits in diesem Jahr, so Product- Manager Klaus Langguth, soll das Programm auf 37 Prozent aller DOS- Rechner laufen.

Windows 3.0 scheint, anders als die vorangegangenen Versionen, als Frischzellenkur für das schon mehrmals ins Grab geredete DOS anzuschlagen. Das 1978 entwickelte Betriebssystem, heute weltweit 60 Millionen mal im Einsatz, hat gegenüber den Produkten der Konkurrenz einen gravierenden Nachteil: Die Größe des Arbeitsspeichers, in den Anwenderprogramme geladen werden können, ist eng begrenzt. Moderne Anwendungen wie computerunterstütztes Konstruieren brauchen für die Bildschirmgrafik aber enorme Mengen an Speicher- und Rechenleistung. Bei Microsoft ging deshalb als Nachfolge für die 90er das Betriebssystem OS/2 in die Entwicklung.

Ein Argument für DOS blieb aber die riesige Zahl verfügbarer Anwenderprogramme: Heute stehen mehr als 50.000 zur Auswahl. Dank digitaler Kniffe ist es mit Windows möglich, sowohl speicherintensive Anwendungen laufen zu lassen als auch die alte Software weiter zu benutzen. Unter des Kaisers neuen Kleidern verbirgt sich allerdings letztlich doch das fußlahme DOS; nur so war der Kompromiß zu machen. Ein Generationswechsel steht also irgendwann trotzdem an.

Bei der Konkurrenz mit dem angebissenen Apfel im Firmenlogo lobt man scheinbar gelassen die Windows-Oberfläche: „Wir waren noch nie dafür, daß die Leute irgendwelche Codes lernen müssen, um mit dem Computer umgehen zu können“, so Renate Knüfer. Frech prangt am Messestand ein Aufkleber: „Gib DOS keine Chance!“ Man läßt die Muskeln spielen: „Wir denken, wir sind sogar besser als die Japaner.“

Bei aller Coolness zeigt das Äpfelchen die Zähne: Gerichtlich soll geklärt werden, ob sich die Windows- Entwickler nicht allzu sehr von der Apple-Grafik haben inspirieren lassen. Tatsächlich ähneln sich Bildschirmfenster und Symbole verblüffend. Apple konnte letzte Woche einen Teilerfolg erzielen. Ein Gericht in San Francisco bestätigte die Urheberrechte. Dabei war in der Vergangenheit durchaus Zusammenarbeit angesagt gewesen: Apple erteilte für die Vorgängerversionen Windows 1.0/2.0 eine Lizenz an der Graphik- Technologie.

Apple verläßt die Nobelnische

Wenn zwei sich streiten, freut sich bekanntlich der Dritte: Die Macs werden billiger. Die üppig ausgestatteten Apfel-Kisten sollen den Markt der 3.000 bis 5.000 Mark teuren IBM-ATs aufrollen. Denn erst in dieser Preisklasse macht der Einsatz von Windows 3.0 Sinn — das Fensterln ist nichts für Simpel-PCs und Schwarzweiß-Monitore.

„Wir wollen Marktanteile erobern“, so Renate Knüfer. Von Apple stammt weltweit jeder zehnte PC; in der alten Bundesrepublik liegt man aber nur bei sieben Prozent. Apple will offenbar aus der Nobelnische in die Offensive. Für den Herbst ist ein neues Mac-Betriebssystem angekündigt, das alles — und natürlich Windows — in den Schatten stellen soll.

Die Veränderungen in der DOS- Welt tangieren aber nicht nur die unmittelbare Konkurrenz. Die Attraktivität eines Betriebssystems hängt letztlich davon ab, wieviele Softwarehersteller auf das neue Arbeitspferd setzen. Und das waren für das Microsoft-Betriebssystem OS/2 nur wenige — anders bei Windows, für das schon 1.600 Programme im Handel sein sollen.

Giuseppe Cimino, Mitarbeiter einer mittelgroßen amerikanischen Softwarefirma: „Wir haben Lotto gespielt und gewonnen — mit Windows.“ Andere Entwickler, die der offiziellen Microsoft-Politik folgten, die da lautet, OS/2 löst im professionellen Bereich in den 90ern DOS ab, holen deshalb eilig Anwendungen für Windows nach.

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