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Sägen, Singen, Skinnen

■ Das Berlinmusical »Heißt du wirklich Hasan Schmidt?«

In Berlin tragen die deutschen Jungen Springerstiefel, die Türken haben einen Gemüseladen und feiern Hochzeit, die Alten werden durch Spekulanten entmietet, die Marktschreier verkaufen Pfannen und rechtsextreme Ideologien, die linksliberalen, taz-lesenden Pullover-Lehrer sind täglich stolz auf die Integration ihrer Ausländerkinder, bis die Schlägerei im Klassenzimmer Diskussionsbedarf schafft. Da wird die Stadt in bewährter, kritisch-liebenswerter Form wieder aufgegossen. Das ist alles wie im Kreuzberger Fernsehspiel und trotzdem wahr, und weil rechts und links vom Holzschnitt der Fassung einiges liegen bleibt, erkennt sich das Publikum um so besser wieder. Mit Heißt du wirklich Hasan Schmidt? ist ein Roman von Krimi-ky mittels der Sozialen Künstlerförderung musicalisiert worden und wird nun basisnah und mit Erfolg an die Jungscharen gebracht.

Dazu hat man keine Mühen gescheut. Westside-story-like wird der Kampf der Jugendbanden locker choreographiert und live verpopt; die Kapelle steht nur statt im Orchestergraben auf einer Seitenbühne und ist mit Gitarren und Synthies etwas schwerer ausgerüstet. Matze Schmidt, der im Gegensatz zu seinen Skinfreunden eher softe jugendliche Antiheld, wird nur deshalb zwischen die feindlichen Lager getrieben, weil er auf sich allein gestellt und vorübergehend mutterlos auch noch von seinem Computer verlassen wird. Der wackelt, auf wunderbaren Sprungfederfüßen, bei jeder Autoracingkurve kräftig mit und explodiert mit Krach und Qualm wie im richtigen Comicleben. Ein Verstärker, von den Kumpels mitgebracht, wird in der Aufregung der nächsten Songnummer zur Freude der Zuschauer gleichfalls zur Strecke gebracht. Mit dem Tod der Grundnahrungsmittel Matzes bleibt ihm nur die erpresserische Schutzmacht. In der nächsten Szene etabliert er sich bereits zum Spekulantengesellen und die Skinbande darf unter krächzenden Gitarren lustvoll Wohnungen zersägen und Mieter noch vor Auszug entsorgen.

Das bringt einigen Spaß, schafft Identifikation und ist schon hart an der Grenze aufklärerischer Jugendstücke. Zum Glück tut sich ein Fenster auf und die schöne türkische Shirin weckt ungeahnte Gefühle. Matze hat einen Soloauftritt, wo er sich, Shirin und das Publikum fragt, wer ihm diese besorgt hat und was das Ganze soll.

Dabei hält er die Gitarre, als wäre es ihre Taille, was die Tiefe seiner Gefühle hinreichend belegt (ein Ersatz ist auch an der Zeit, der Verstärker ist ja hin). Und, so lehrt der Applaus, nicht nur hingebungsvolles Sägen, auch inniges Singen findet ins Herz der Konsumenten.

Am meisten kommen aber die kleinen Ausrutscher an: Das umkippende Büropappteil auf dem Polizeirevier fängt Matze elegant mitten in der Rede auf. Als der Beamte aber dann zur Unterstützung seiner kraftvollen Worte gleich noch mal die Pappe, hinter der er steht, in den Boden schraubt, schwankt man wieder, ob's nicht miteingeplant war. All zu perfekt spult sich die Nummernfolge ab, wechselt Nachdenke mit Stimmungsstück.

Die giftgrünkostümierte, affektierte Lehrerin wedelt mit den Handflächen und schwingt akkurat das Bein, sich selber noch eine geniale Parodie. Musik und Tanz auf einer perfekt simulierten türkischen Hochzeit reißen mit, der Konflikt Shirins mit ihrem türkischen Vater, der seine Tochter nur als anatolische Braut sehen will, bringt nur allzu bekannte Dramatik. Drei Breakdancer bereiten den Showdown vor, und nach viel Hin und Her mit Matze, der sich zum Hasan verwandelt, um sich in Shirins Familie zu integrieren, nach Messerstecherei und Schnellverbrüderung wird ein multikulturelles Finale inszeniert.

Die Botschaft ist klar, ob sie ankommt, schon weniger. Zwar werden die Skin-Schauspieler, weil sie die Bösen sind, am Ende ausgebuht. Aber die Stärke des Stücks liegt woanders: im glaubwürdigen Auftritt der Jungartisten und der Reaktion der Gleichaltrigen oder Jüngeren, die ihn so oder so kommentieren. Dorothee Hackenberg

Heißt du wirklich Hasan Schmidt? Musik: Andi Brauer, Songtexte: Stefan Viering, Regie: Detlef Wintzgen, Bühne: Thomas Schenk. Heute 10 Uhr und 19 Uhr im Berliner Prater, Kastanienallee 7-9. 29. 3. bis 1. 4. im FEZ Wuhlheide, An der Wuhlheide in Köpenick. 11. bis 14.4. im SO 36, Oranienstraße 190 in Kreuzberg. 17. 4. bis 19. 4. im Theater der Freundschaft, Hans-Rodenberg-Platz 1 in Lichtenberg.

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