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„Müssen wir erst Drogen anbauen, bevor die Zölle fallen?“

Die zentralamerikanischen Staaten wollen von der EG mit den Andenstaaten gleichgestellt werden/ Enttäuschung über Ministerkonferenz in Managua  ■ Aus Managua Ralf Leonhard

In Managua ist am Montag die siebte Ministerkonferenz zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Zentralamerika zu Ende gegangen, ohne daß über den wichtigsten Punkt der Tagesordnung — nämlich Zollpräferenzen für zentralamerikanische Exportprodukte — Abkommen erzielt werden konnten. Zwei Tage lang berieten die Außenminister der Europäischen Gemeinschaft oder deren Stellvertreter und die Außenminister der zentralamerikanischen Staaten El Salvador, Honduras, Nicaragua, Guatemala, Costa Rica, Panama (als Beobachter) sowie der sogenannten G3 (Mexiko, Venezuela und Kolumbien) über die Wirtschaftsprobleme der Region.

Hans-Dietrich Genscher, einer der Initiatoren der Zusammenarbeit mit Zentralamerika, wirbelte in Moskau herum und ließ sich durch Staatsministerin Ursula Seiler-Albring vertreten. Die Mittelamerikaner, die in der Regel nicht so geschlossen auftreten, wie in Verhandlungen mit der EG, forderten die Gleichstellung mit den Andenstaaten. Diese hat die Zwölfergemeinschaft weitgehend von Importzöllen befreit, damit sie andere Produkte als Drogen herstellen und exportieren können.

„Müssen wir erst Drogen anbauen, damit die Zölle auch für uns gesenkt werden?“, fragte einer der zentralamerikanischen Außenminister, nachdem sein französischer Kollege Roland Dumas gleich zu Beginn der Konferenz unter Hinweis auf den Drogenkrieg die Hoffnungen der Zentralamerikaner auf Gleichbehandlung enttäuscht hatte. Wieweit die EG den Zentralamerikanern letztendlich entgegenkommen wird, darüber wird erst in einigen Monaten die EG-Kommission entscheiden, die zunächst eine Studie zu diesem Thema anfertigen will. Eine Gleichstellung Zentralamerikas mit den Andenländern würde für die EG jährliche Zollausfälle von 50 bis 60 Millionen Mark bedeuten.

Allerdings klaffen die Interessen sowohl der zentralamerikanischen Länder als auch der einzelnen EG- Länder zum Teil weit auseinander. Auf dem Markt für Schnittblumen fürchten beispielsweise die Niederländer die lateinamerikanische Konkurrenz, wenn nach Kolumbien nun auch Guatemala von Einfuhrzöllen befreit würde. Solange die Zollschranke von zwölf Prozent stehen bleibt, ist Guatemala mit seinen Blumen und Zierpflanzen auf dem europäischen Markt nicht konkurrenzfähig.

In den Gatt-Verhandlungen hatten die EG-Staaten bereits 1990 ein Angebot für die Einfuhr tropischer Produkte im Werte von 20 Milliarden Mark gemacht, das auch die für Zentralamerika interessanten Produkte Kaffee und Schnittblumen einschloß. Bisher jedoch gibt es zu diesem Angebot keinen bindenden Beschluß. Außerdem sind in diesem Angebot die Bananen nicht enthalten, die für Honduras das wichtigste Exportgut und für Costa Rica, Guatemala und Nicaragua immerhin große Devisenbringer sind.

Der Forderung Zentralamerikas nach völliger Liberalisierung der Bananeneinfuhr widersetzt sich vor allem Frankreich, das seinen Bedarf aus den karibischen Überseedepartements Guadeloupe und Martinique deckt. Auch Spanien und Griechenland, die eine eigene Bananenproduktion haben oder aufbauen wollen, haben kein Interesse an Billigbananen aus Zentralamerika. Und die Briten, die gegenüber ihren ehemaligen Kolonien auf den kleinen Antillen, sowie die Italiener, die gegenüber Somalia Sonderverpflichtungen haben, versuchen das Eindringen der lateinamerikanischen „Dollar-Bananen“ hinauszuzögern. Spätestens mit dem Inkrafttreten des Binnenmarktes wird die Konkurrenz der qualitativ überlegenen und billigeren Dollar-Banane für diese Länder ein ernstes Problem.

Seit der ersten Ministerkonferenz, die 1984 in San José, Costa Rica, stattfand, hat sich das Handelsvolumen zwischen der EG und Zentralamerika von 38 Millionen Ecu auf 116 Millionen Ecu (232 Millionen Mark) verdreifacht. Bei der Zusammenarbeit geht es um eine Kombination von Entwicklungshilfe und Handel. Die EG will mit ihrem Engagement einen Beitrag zur Stabilität der Region leisten. Obwohl die Europäer — wie EG-Kommissar Abel Matute sagte — in Zentralamerika, gemessen an der Einwohnerzahl, mehr Entwicklungshilfe leisten als in jeder anderen Region der Welt, haben sie der Großmachtpolitik der USA in deren südlichem Hinterhof nie wirksam etwas entgegensetzen können.

Das Zentralamerikanische Parlament, von dessen Zusammentreten im nächsten Jahr man sich einen stablisierenden Effekt verspricht, würde jedoch ohne Starthilfe aus Brüssel nie zustandekommen. Auch bei der Betreuung von Flüchtlingen und Repatriierten sowie der Umschulung demobilisierter Contras und Militärs leistet die Zwölfergemeinschaft Beiträge. Dazu kommen Hilfen bei der Vereinfachung der Migrationsbürokratie. Nicaragua und Honduras bekamen außerdem je fünfzehn Millionen Dollar für die Diversifizierung der industriellen Produktion in ihren Ländern.

Auch diesmal vermieden es die Europäer in ihrer Abschlußerklärung, sich mit den USA anzulegen. Eine Delegation der salvadorianischen Befreiungsfront FMLN konnte zwar mit den meisten Delegationen sprechen, zumeist aber nicht mit den Delegationsleitern. „Es ist nicht der richtige Zeitpunkt, die FMLN aufzuwerten“, begründete ein europäischer Delegierter.

Der salvadorianische Außenminister Manuel Pacas konnte seine Wut nicht verheimlichen, als er bei seiner Ankunft in Managua erfuhr, daß Präsidentin Violeta Chamorro den Rebellen den Zugang zu den Konferenzteilnehmern ermöglicht hatte. Villalobos hofft, daß noch vor dem Zusammentreten der neuen Nationalversammlung am 1.Juni eine Waffenruhe ausgehandelt werden kann. Unter internationaler Aufsicht sollten sich dann die Armee und die FMLN in den jeweils von ihnen kontrollierten Gebieten konzentrieren. Wenn alle weiteren Punkte der Demokratisierung und Wirtschaftsreform gelöst sind, könnten sich dann beide Armeen auflösen.

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