: Der Osten hält nicht mehr still
■ Neue Aktionen/ 10.000 demonstrierten in Riesa/ CDU: Westgewerkschafter „steuern“ Protest
Riesa/Berlin/Leuna/Bonn (dpa/ afp) — Rund 10.000 Stahlarbeiter haben gestern in Riesa in Sachsen gegen die »dramatische Situation« in ihren Betrieben protestiert. Gleichzeitig ließen einige hundert Arbeiter der Mittagschicht des Stahl- und Walzwerks Riesa AG aus Protest gegen die schlependen Tarifverhandlungen die Arbeit vorübergehend ruhen. Viele Demonstsranten waren in Autokorsos aus den umliegenden Orten Gröditz, Großenhain und Meißen nach Riesa zur Kundgebung gekommen. Auf Spruchbändern forderten sie den Erhalt ihrer Arbeitsplätze. Auch im Kaltwalzwerk Oranienburg in Brandenburg kam es zu einem befristeten Ausstand. In den ostdeutschen Stahlbetrieben sind auch für heute Warnstreiks angekündigt.
Einen Tag zuvor hatten auch in Leuna in strömendem Regen 20.000 Chemiearbeiter vor den Toren der Leuna-Werk AG für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze demonstriert. Hermann Rappe, Vorsitzender der Industriegewerkschaft Chemie-Papier- Keramik, forderte: „Entschädigung muß vor Rückgabe von altem Eigentum stehen, sonst bleiben Investoren aus.“ Rappe weiter: „Die schlechte wirtschaftliche Lage ist nicht die Schuld der Arbeitnehmer. Das ist das Ergebnis des Systems.“ Es sei ein Irrtum zu glauben, wenn in den alten Bundesländern die Privatisierung großer Unternehmen 30 Jahre gedauert habe, daß dies „hier in zwei bis drei Jahren geschieht“. Der Gewerkschaftschef forderte eine „prinzipielle Entscheidung aus Bonn“, damit „die Industriestandorte erhalten bleiben“. Auch Gewerkschafter aus dem alten Bundesgebiet kamen in über 30 Bussen zu der Veranstaltung.
Mehrere Unionspolitiker haben unterdessen die westdeutschen Gewerkschaften beschuldigt, die gegenwärtigen Demonstrationen in vielen ostdeutschen Städten zu steuern. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Clemens Schwalbe, sagte: „Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die neuen Montagsdemonstrationen von linken Organisationen und Gewerkschaften geführt werden, die sich mit der deutschen Einheit immer noch nicht abgefunden haben.“ Dafür sollten sich die Menschen in den neuen Bundesländern zu schade sein.
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