Juden droht Ausweisung aus Berlin

Weil sie nicht direkt aus der Sowjetunion, sondern über Israel nach Deutschland einreisten, sollen etwa 300 Juden aus Berlin ausgewiesen werden/ Galinski kritisiert Bleibebegehren  ■ Aus Berlin Anita Kugler

In Berlin befinden sich zur Zeit etwa 300 Juden aus der Sowjetunion in empfindlicher Bedrängnis. Am Ostermontag, den 31.März müssen sie ihre Wohnheime verlassen, das Landessozialamt (LaSoz) wird keinen Tag länger Bett und Brot bezahlen. Und es kann noch schlimmer kommen. „Rechtlich-theoretisch gesehen“, heißt es aus dem Berliner Innensenat, können sie nach Ablauf der Touristenvisa aus Deutschland „abgeschoben“ werden.

Damit genau das nicht passiert, haben sich die Betroffenen aus 17 verschiedenen Wohnheimen organisiert und ein Rechtsanwaltsbüro mit der Vertretung ihrer Interessen beauftragt. Die Menschen wollen in Berlin bleiben, aber dies kann schwierig werden. Denn die 300 sind nicht direkt aus der Sowjetunion nach Deutschland gekommen, sondern es sind sowjetische Juden, die mehrere Wochen oder auch Monate in Israel lebten und während des Golfkrieges mit einem israelischen Touristenvisa nach Berlin einreisten. Das Recht auf eine unbeschränkte Aufenthaltserlaubnis haben nur die Juden aus der Sowjetunion, die entweder direkt vor dem 15. Februar nach Deutschland einreisten oder die nach diesem Stichtag einen Ausreiseantrag bei den deutschen Konsulaten in der UdSSR stellen. „Aber wir wollen nicht in Israel leben“, sagten Sprecher gestern bei einer Versammlung vor Journalisten, „sondern in Deutschland.“ Die Einreise nach Israel sei für sie die einzige Möglichkeit gewesen, legal die Sowjetunion verlassen zu können. In Israel, sagten die Rechtsanwälte der Gruppe, seien sie gezwungen worden, sich in den besetzten Gebieten anzusiedeln, hätten keinerlei Aussicht auf eigene Wohnungen oder Arbeit. Sie würden von der Schamir- Regierung als Puffer für die „Territorial- und Siedlungspolitik mißbraucht“, sagten die Anwälte. Sie fordern für diese Menschen vom Berliner Senat das Recht auf die unbeschränkte Aufenthaltserlaubnis. Die unterschiedliche Behandlung von direkt aus der Sowjetunion ausgereisten Juden und sowjetischen Juden, die über den Umweg Israel nach Berlin gekommen sind, halten sie für ein „großes Betrugsmanöver“.

Die Vorwürfe wurden vom Staatssekretär des Sozialsenats, Armin Tschoepe (SPD), zurückgewiesen. Es bestehen keinerlei Chancen, sagte er gegenüber der taz, diese Menschen in die Kontingentsflüchtlingsregelung aufzunehmen. Von der israelischen Regierung würden sie als israelische Staatsbürger angesehen, folglich seien sie hier nichts anderes als Touristen. Aus humanitären Gründen habe man sie während des Krieges nicht zurückgeschickt, sondern befristet untergebracht. Der israelische Botschafter habe ihm versichert, sagte Tschoepe, daß diese Menschen in Israel gerne wieder aufgenommen, ihnen sogar Rückflugtickets zur Verfügung gestellt werden.

Scharf kritisiert hingegen hat der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, gegenüber der taz das Verhalten der Anwälte und das Bleibebegehren der 300 Menschen. „Ich bin hundertprozentig der Meinung“, sagte er, „daß diese Menschen dem Staat Israel dankbar zu sein haben und daß sie wieder zurück müssen.“ Die Vorwürfe gegenüber der israelischen Regierung betrachte er als eine „unerhörte Zumutung“. Alles spricht aber dafür, daß sich dieser Konflikt zuspitzen wird. „Nur die Polizei“, sagten mehrere Betroffene, „kann uns aus den Heimen herausholen.“