Von Babelsberg nach Hollywood

■ Gespräch mit Armin Müller-Stahl, Mi., 20.3., DFF, 21.30 Uhr

Die einen gingen oder versuchten es, weil für sie in der DDR nichts ging oder gar nicht erst losging, und die anderen, weil es nicht mehr weiterging. Weil nichts mehr hinzukam. Zur zweiten Gruppe gehörte Müller- Stahl, und er machte nie einen Hehl daraus: „Ich hatte die offizielle Anerkennung, und die inoffizielle blieb aus. Meine Kurve zeigte nach unten. Ich wußte, ich werde als Schauspieler immer stärker, aber die Angebote wurden immer schlechter.“ Stimmt: Wäre Müller-Stahl damals geblieben, er hätte nie bei Faßbinder gedreht, hätte Amerika vielleicht nur innerhalb einer DEFA-Delegatiom mit antifaschistischem Film bei der UNO betreten dürfen, wäre ansonsten versackt in hochdotierter Wirkungslosigkeit, im Beantragen von Westreisen und Westautos bei den leider sehr real existiert habenden Film- und Fernsehgewaltigen. Was nicht heißt, daß ihm der Neuanfang leicht gefallen ist. Und daß er in der DDR trotz absehbarer Unterforderung zugleich nicht auch vermißt wurde.

In diesem Spannungsfeld hatte nun Angelika Beinemann Ansatzpunkte genug, den Weg von „Babelsberg nach Beverley Hills“, wie es so schön heißt, zu hinterfragen. Die Hauptschwierigkeit dabei war wohl Müller-Stahl selbst: Sein sympathisches Wesen (dasselbe trifft für die Befragerin zu), erschwerte es, auch unbequeme Fragen zu stellen. Etwa nach Müllers-Stahl letztem DEFA- Film Die Flucht, in dem er einen spielte, der weg wollte, aber wie durch glückliche Fügung (Totschlag auf Transitstrecke) vor der Flucht in die Hölle des Westens bewahrt wird... Es hätte dennoch sein müssen, schon um den Befragten vor Ausflüchten in tausendmal bei anderen Interviews Gesagtes und sogar Allgemeinplätzen zu schonen. Und da die Gespräche für die DFF-Länderkette geführt wurden, hätte angesichts der vielzitierten Interessenidentität des O-Zuschauers hier freilich eine Vertiefung in den Schnitt Ost-West mehr gelohnt, als das wenngleich verständliche aber doch etwas wenig antwortergiebige Anhimmeln verwirklichter amerikanischer Träume.

35 Fernsehminuten sind eine ganze Menge, sie können leicht zur Länge werden. Dabei kam nicht einmal Langeweile auf; nur wurde für die gute halbe Stunde vielleicht doch zu wenig Neues zu Tage gefördert. Oder die Sendung kam einfach nach vielen Talkshows und Interviews der letzten Wochen zu spät. Die mangelnde Überraschung lag wohl auch an der Unschlüssigkeit in der Entscheidung zwischen Unterhaltung, Disput oder Information. Sympathisch allerdings: Müller-Stahl wurde nicht einmal in die populäre Opfer-Ecke gedrängt, dazu ist er auch viel zu sehr mit sich im Reinen, ohne selbstzufrieden zu wirken. Im glücklichen Unterschied zu manchen seiner Kollegen kam für ihn im Westen eben etwas hinzu, und er muß nicht mehr mit alten Buhmännern operieren. Vielleicht fiel deshalb kein einziges Mal das Beiwort „ehemalige“ DDR — wer spricht schon vom ehemaligen Römischen Reich! Dietmar Hochmuth