: „Schwarze Barette“ verbreiten Schrecken
London/Berlin (afp/taz) — Der litauische Präsident Vytautas Landsbergis hat am Donnerstag vor dem Parlament in Vilnius das jüngste Vorgehen der Spezialeinheiten des sowjetischen Innenministeriums heftig kritisiert. Diese als „Schwarzen Barette“ oder OMON bekannte Truppe hatte am Vortag nach einer Verfolgungsfahrt von der russisch- litauischen Grenze das Feuer auf einen Bus mit litauischen Grenzschützern eröffnet und dabei nach bislang unbestätigten Meldungen mindestens einen der Insassen erschossen und einen weiteren verwundet.
Die OMON-Einheit untersteht direkt dem Innenministerium in Moskau und ist per Dekret des Obersten Sowjet der Zuständigkeit der örtlichen Machtorgane entzogen. Berüchtigt sind die Aktionen der „Schwarzen Barette“ in der benachbarten Republik Lettland: auf ihr Konto geht der Überfall auf das Innenministerium in Riga am 20. Januar, bei dem mindestens fünf Menschen erschossen wurden, sowie ein weiterer Toter.
Nach den blutigen Januar-Ereignissen in Vilnius und Riga, die für das außenpolitische Renommee der UdSSR einen unerwartet großen Flurschaden angerichtet haben, scheint sich der jüngste Zwischenfall in der litauischen Hauptstadt in eine „low conflict“-Strategie der konservativen Kräfte einzufügen.
Zu den Mitteln dieser Strategie dürften weiterhin die in den vergangenen Monaten regelmäßig verübten Bombenanschläge in Lettland zählen, die sich unter anderem gegen Lenin-Denkmäler, Wohneinrichtungen von sowjetischen Militärs, Parteigebäude und ähnliche Objekte richteten, dabei allerdings nur Sachschäden verursachten. Von unionstreuen Gruppierungen werden die Anschläge unausgesprochen nationalistischen Extremisten zur Last gelegt und als Rechtfertigung für einen rücksichtslosen Einsatz der OMON herangezogen. Ohne daß es zu spektakulären Aktionen mit entsprechender Medienwirkung im Ausland kommt, tragen diese Aktionen zur fortwährenden Spannung im Baltikum bei.
Entsprechend hat Präsident Landsbergis auf der Sitzung des litauischen Parlaments am Donnerstag erklärt, der Feuerüberfall der „Schwarzen Barette“ auf die Grenzschützer diene dazu, im Lande eine „Atmosphäre des Schreckens“ herbeizuführen.
Inzwischen hat die litauische Führung unter anderem die Aktionen der OMON sowie die anhaltende Besetzung von Gebäuden in Vilnius durch sowjetisches Militär als Hinderungsgrund für Gespräche über die Unabhängigkeit Litauens angeführt, die der sowjetische Vizepräsident Witali Dogoschijew laut Auskunft des litauischen Parlamentssprechers Azubalis in einem Telegramm an Landsbergis für Anfang kommender Woche angeboten hat. rob
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