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„Bremen als Modellstadt für die Umweltverträglichkeit des Lebens“

■ Gespräch mit dem grünen Vorstandssprecher Dieter Mützelburg über Bremens Zukunft unter einem rot-grünen Senat nach der nächsten Bürgerschaftswahl

Der Landesvorstand der Bremer Grünen will nach der Bürgerschaftswahl im September die Koalition mit der SPD. Die taz interviewte dazu Vorstandssprecher Dieter Mützelburg. Der saß von 1983-85 für die Grünen in der Bürgerschaft und arbeitet als Lehrkraft für Sport an der Bremer Universität.

taz: SPD-Geschäftsführer Marckhoff hat die grüne Koalitionsaussage mit der Bemerkung kommentiert, einige Grüne fühlten sich jetzt wohl reif, Senator zu werden. Hat er damit einen Teil der grünen Motivation erkannt?

Dieter Mützelburg: Erstens: Reif fühlen sich sicherlich einige Grüne schon länger als seit dem Jahr 1991. Ich darf daran erinnern, daß wir sowohl 1983 als auch 1987 Koalitionen nicht prinzipiell ausgeschlossen haben. Da gibt es eine bremische Kontinuität. Das zweite: Die Grünen sind nicht die CDU, die seit '58 danach hechelt, in die Regierung zu kommen.

Der persönliche Wunsch spielt also keine Rolle?

Ich denke schon, es ist für einzelne Grüne auch eine Motivation, persönlich etwas gestalten zu können.

Für sich selbst schließen Sie das aus?

Ja. Ich werde kein Senator.

Wer denn?

(lacht) In der Frage besteht im Moment noch kein Handlungsbedarf.

Die Junge Union hat vorgeschlagen, CDU, FDP und Grüne sollten gemeinsam die SPD ablösen.

Das wäre zwar der lupenreinste Machtwechsel. Aber da werden Partner zusammengetan, die nicht partnerschaftlich zusammenarbeiten können. Weil

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Dieter Mützelburg, Landesvorstand Die Grünen

die CDU zum Beispiel auf den Ausbau des Straßenverkehrs setzt. Genauso bei der Debatte um den Abtreibungsparagraphen. Die Differenzen sind nicht in einer Regierung auszutarieren.

Der SPD-Senat neigt deutlich der FDP zu. Wo sehen Sie denn in der SPD mögliche Koalitionspartner?

Diese Tendenz, die von Wedemeier und Finanzsenator Grobecker vertreten wird, ist öffentlich sehr stark. Aber wir wissen natürlich, daß es innerhalb der SPD Widersprüche gibt, die im Rahmen des Wahlkampfes untergebuttert werden. Je stärker die Wahlergebnisse für die Grünen sind, desto größer wird der Druck in Richtung Koalition.

Was genau soll denn anders werden, wenn wir einen rot-grünen Senat haben?

Ein paar Stichworte: Die ganze Auseinandersetzung, die wir im Zusammenhang mit dem Golfkrieg gehabt haben über Rüstungsexporte. Wir sind im Moment juristisch auf der Suche, ob es möglich ist, Waffentransporte über bremische Häfen zu stoppen. Ein zweiter Punkt ist bei uns die Verkehrspolitik. Da muß ganz massiv etwas getan werden. Der dritte Punkt ist die Wohnungs- und Gewerbeflächenpolitik. Die SPD will noch immer raus auf die grüne Wiese, zum Beispiel in die Hemelinger Marsch. Während wir dafür sind, die vorhandenen innerstädtischen Flächen auszunutzen. Ein Antrieb der SPD, mit der FDP zu koalieren, ist sicher, mehr Bundestreue zu dokumentieren, um das Überleben von Bremen zu garantieren. Das wird ein wichtiger Punkt im Wahlkampf sein. Geht's drum: Ist Bremen möglichst angepaßt an alle anderen Bundesländer? Oder bewahrt Bremen bestimmte Besonderheiten. Oder wird es sogar zum Modell? Wenn man sich vor Augen hält, daß Zürich in ganz Europa eine Modellstadt für den öffentlichen Personennahverkehr ist, dann kann man sich schon vorstellen, ob Bremen nicht auch eine Modellstadt werden kann, etwa für Umweltverträglichkeit des Lebens.

Ein Stichwort ist nicht gefallen: Die Frauenpolitik. Hängt das damit zusammen, daß ich einen grünen Mann interviewe?

Im Moment ist die Vorstellung, daß wir keinen eigenen frauenpolitischen Schwerpunkt machen, sondern vielmehr darauf achten, daß in den einzelnen Politikbereichen die Situation der Frauen ganz anders berücksichtigt wird. Zum Beispiel die Verkehrspolitik: Männer fahren Auto, und die Frauen sitzen in der Straßenbahn. Der Ausbau des ÖPNV hat also mit Frauenpolitik zu tun.

Hat für Sie ein Koalitionsangebot an die SPD eigentlich überhaupt keinen Geruch von Anbiederei?

Auf so eine Frage kann man eigentlich nur kommen, wenn man den Grünen unterstellt, daß sie von vorneherein keine eigenen politischen Konzepte haben. Wir sind in einem Dilemma. Die einen sagen: Ihr wollt sowieso nur Senatoren werden, die anderen sagen: Ihr macht zwar schöne Konzepte, aber an die Realisierung denkt Ihr sowieso nicht.

Welches Szenario halten Sie für realistisch, wenn die SPD große Einbrüche erleidet?

Dann halte ich es für naheliegend, daß die SPD-Regierung eine Koalition mit der CDU anstrebt. Denn dann können sie sich in Bonn etwas für die Bremer Selbständigkeit garantieren lassen. Das geht mit der FDP nicht.

Interview: Barbara Debus

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