: Münchner Inquisition über §218
Sonderkommission von Chefärzten überprüft Indikationsgutachten/ Rückgang der Abtreibungszahlen verbucht CSU-Gesundheitsreferent als Erfolg/ Keine ambulanten Abbrüche in München möglich ■ Von F. Bremauer/B. Siegler
München (taz) — In der bayerischen Landeshauptstadt prüft eine besondere, gesetzlich nicht vorgeschriebene Kommission die Indikationen von Schwangerschaftsabbrüchen an den städtischen Krankenhäusern. Das Ergebnis ist eindeutig: Die Zahl der Abbrüche in den städtischen Kliniken ging von 1.069 im Jahr 1982 auf ganze 74 im Jahr 1989 zurück. „Unser Gesundheitsreferent Dr. Thomas Zimmermann (CSU) ist eben sehr erfolgreich“, kommentiert die Münchner SPD-Stadträtin Monika Renner diese Entwicklung.
Münchens oberster Gesundheitswächter Zimmermann verteidigt die von den Chefärzten der gynäkologisch-geburtshilflichen Abteilungen der städtischen Krankenhäuser 1977 initiierte Kommission, die als dritte zusätzliche Instanz neben der im §218 vorgesehenen Beratungspflicht und Indikation Schwangerschaftsabbrüche erschwert. Sie habe den Sinn, „dem abbrechenden Arzt bei seiner Entscheidungsfindung zu helfen“. „Es ist nichts anderes als ein Fachgespräch unter Fachleuten.“ Solche „Fachgespräche“ führten jedoch dazu, daß von 1987 bis 1989 im Harlachinger Krankenhaus jede dritte Indikation zurückgewiesen wurde. Der Druck auf die wenigen Ärzte, die in Bayern nach den Memminger Prozessen den Mut haben, Indikationen auszustellen, wächst damit noch mehr. Zimmermann gibt zu, daß der Rückgang der Abbruchzahlen in den städtischen Kliniken Münchens hauptsächlich „durch die Wahrnehmung der ärztlichen Verantwortung mittels Überprüfung der Indikationsgutachten bedingt“ sei.
Für eine Abschaffung der Kommission sieht Zimmermann weder Handlungsbedarf noch Möglichkeiten. Er habe hier „keine Kompetenz“, das unterliege dem „ärztlichen Gewissen“. Angesichts dieser Antwort zweifelt die SPD-Stadträtin Renner an der Qualifikation des CSU-Mannes. Es werde deutlich, daß die Chefärzte in den städtischen Kliniken das Sagen hätten und nicht der zuständige Referent. Sie unterstellt Zimmermann, daß er Schwangerschaftsabbrüche aus „politischen Gründen“ verhindern wolle und vermutet, daß „hier Interessen der Frauen dem politischen Kalkül der selbsternannten Hüter der Moral, der sogenannten Gutachterkommission, geopfert“ würden. Zusammen mit der grünen Stadträtin Angelika Lex fordert sie die Abschaffung der „dubiosen Kommission“.
Die beiden Stadträtinnen widersprechen entschieden der Aussage des Referenten, daß die Kapazitäten in München für die Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen „ausreichend“ seien. In einem Antrag fordern sie, zusätzliche Kapazitäten für ambulante Abbrüche nach dem sogenannten Karlsruher Modell zu schaffen. Danach solle die Stadt Einrichtungen in Krankenhäusern an niedergelassene ÄrztInnen für ambulante Abbrüche vermieten, um dem zunehmenden Abtreibungstourismus nach Norden die Grundlage zu entziehen. Solche Einrichtungen müssen speziell in Bayern und Baden-Württemberg genehmigt werden.
Die Stadt Stuttgart hatte jedoch Anfang des Monats einem Mediziner die Errichtung einer Praxis im städtischen Olga-Hospital genehmigt, um dort ambulante Abbrüche vornehmen zu können. Auch die Stadt Nürnberg will gegen den vehementen Widerstand der CSU im städtischen Krankenhaus entsprechende Räumlichkeiten für ambulante Abbrüche für niedergelassene Ärzte schaffen. In München aber wollen sich Gesundheitsreferent und Chefärzte querstellen. Noch vor der Beratung im zuständigen Ausschuß sickerte durch, daß CSU-Mann Zimmermann Seite an Seite mit den Chefärzten die von den Stadträtinnen geforderten Einrichtungen strikt ablehnen.
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