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Leipzig grüßt Kanzler: „Absetzen oder Abtreten“

■ 100.000 demonstrieren in Leipzig gegen die Regierung und den Zusammenbruch des Arbeitsmarkts/ Steinkühler: Katastrophe im Sommer

Leipzig (taz) — Immer mehr Menschen gehen in Leipzig auf die Straßen: Unter dem Motto „Leipzig macht Druck auf Bonn“ versammelten sich gestern etwa 100.000 Menschen auf dem Augustusplatz. Sie protestierten gegen Wahlbetrug und die Vernichtung ihrer Arbeitsplätze. „Wahlbetrüger Kohl und Krause, geht nach Hause!“ skandierten die DemonstrantInnen. Auch Rufe nach „Absetzen“ und „Abtreten“ wurden in Richtung Bundesregierung laut. Als erster Sprecher verwahrte sich Betriebsrat Peter Suck dagegen, daß die Leipziger Demonstranten von Bonner Seite als Demagogen und Nichtsnutze denunziert werden. Der alte Ruf „Wir sind das Volk“ werde noch so laut ertönen, daß die Regierungspartei ins Schwitzen komme. Der IG Metall-Vorsitzende Steinkühler warnte, daß mit dem Auslaufen des Kündigungsschutzes am 1. Juli eine soziale Katastrophe in den neuen Ländern drohe. Die wirtschaftlichen Folgen der Einheit im Osten seien voraussehbar gewesen. Für die gebrochenen Wahlversprechen trage Kanzler Kohl die politische Verantwortung. Der Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung“ müsse schnellstens korrigiert werden. Steinkühler sprach sich vehement gegen eine große Koalition aus, die nur die politischen Verantwortlichkeiten verwische. Die Rede des Leipziger Oberbürgermeisters Lehmann-Grube, der die Schuld für das wirtschaftliche Desaster den vierzig Jahren SED-Herrschaft anlastete und die Demonstranten mahnte, sich nicht für vordergründige politische Ziele mißbrauchen zu lassen, ging größtenteils in Pfiffen unter. An die Reden schloß sich der traditionelle Marsch um den Ring an. TAGESTHEMA SEITE 3

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