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„Es ist besser, Geld mit normalem Handel zu verdienen“

In Polen werden Computerprogramme wie Literatur behandelt/ Ein Vertrag mit den USA zum internationalen Patentschutz erregt die Raubkopierer  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

„Wir sind zur Zeit im Kassettenbereich Weltspitze in Sachen Piraterie“, findet Marek Kulczycki, Polens Vizeminister für Außenhandel. Tatsächlich muß Kulczycki von seinem Amt aus nur ein paar Meter über die Straße gehen, um die Piraten beobachten zu können: An jeder Ecke der Warschauer Innenstadt stehen junge Burschen, die auf kleinen Tischen Pop- und Rockmusikkassetten feilbieten, die zuvor von importierten Orginalkassetten raubkopiert wurden.

Bisher war das legal; grenzüberschreitenden Urheberschutz gab es überhaupt nicht, so daß bald ganze Untergrundkonzerne entstanden: Nicht nur Kassetten, auch Filme, Videokassetten, Bücher und Computerprogramme wurden kopiert und in Umlauf gebracht. Das wird nun bald ein Ende haben, denn demnächst wird das Parlament über Polens erstes Abkommen zum Schutz geistigen Eigentums beraten — parafiert vor einem Jahr mit den Vereinigten Staaten.

„Wenn wir wollen, daß ausländisches Kapital hier investiert wird“, so Kulczycki, „müssen wir entsprechende Bedingungen schaffen. Keine Firma wird mit neuen Ideen hierher kommen, wenn sie weiß, daß ihr diese Ideen sofort geklaut werden können.“ Und so wurde in das Investitionsschutzabkommen mit den Vereinigten Staaten zum ersten Mal ein Abschnitt zum Patentschutz aufgenommen. Das aber rief Kritiker auf den Plan. Polen habe sich von den USA über den Tisch ziehen lassen, kritisiert nun der 'Tygodnik Gdanski‘. Und Prof. Stanislaw Soltysinski, Patentrechtsexperte, Mitarbeiter der polnischen Antimonopolbehörde und Parlamentsberater, wirft den polnischen Unterhändlern vor, sie hätten sich auf einseitige Beschränkungen eingelassen. „Wir schützen damit vor allem amerikanische Errungenschaften. Die Amerikaner haben uns eine härtere Form des Schutzes diktiert, als sie bei sich zu Hause haben.“

„Der Schutz für Computerprogramme wird der gleiche sein wie für andere literarische Werke“, versichert das Außenhandelsministerium im Anhang zu dem Vertrag dem US- Handelsministerium. Genau diese seltsame Formulierung aber würde laut Soltysinski die Weiterentwicklung amerikanischer Programme durch polnische Fachleute ausschließen. In den USA sei eine solche Weiterentwicklung dagegen möglich.

Noch drastischer seien die Auswirkungen im Pharmabereich. Bisher, so Soltysinski, sei in Polen nicht die Herstellungsweise sondern nur das Endprodukt patentrechtlich geschützt gewesen. „So konnten wir durch eine Synthese mit einiger Verspätung eine polnische Version eines jeden Arzneimittels herstellen.“ Künftig sind solche Tricks verboten. Kein Wunder, daß die Pharmaindustrie protestiert. Soltysinski: „Polen wird so jährlich 600 Millionen Dollar mehr ausgeben müssen und dabei auch noch Absatzmärkte verlieren. Das ist mehr, als alle ausländischen Investitionen der letzten zehn Jahre zusammengenommen.“ Portugal und Spanien hätten eine Übergangszeit von sieben Jahren zugestanden bekommen, Ungarn sei als einer der größten Arzneimittelhersteller gar nicht erst beigetreten. Polen dagegen verpflichtet sich in dem Abkommen, die entsprechenden Schutzrechte bis Ende dieses Jahres einzuführen.

Im Außenhandelsministerium weist man diese Vorwürfe zurück. „Soltysinski verlangt, daß wir weiterhin fremdes Eigentum klauen sollen, weil wir dadurch Geld sparen. Wir sind der Ansicht, es ist besser, Geld mit normalem Handel zu verdienen, statt mit Piraterie“, hält Kulczycki dem entgegen.

Auch den Vorwurf, die Regierung habe aus Furcht vor der Reaktion der Pharmaindustrie den Vertrag bisher geheimgehalten, weist er von sich. Allerdings hat es ein ganzes Jahr gedauert, bis das Abkommen vor das Parlament kam — in den USA wurde es schon lange ratifiziert. Deshalb dürfte es auch sehr schwierig sein, noch Änderungen vorzunehmen, „ausgenommen im Anhang, in dem der zeitliche Rahmen abgesteckt wird“, erklärt Kulczycki. Auch die Tschechoslowakei hat einen ähnlichen Vertrag unterzeichnet. Daß Ungarn abgewunken hat, will Kulczycki nicht kommentieren: „Das ist deren Sache.“

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