piwik no script img

Chinas Militär bleibt ungeschoren

■ Pekings Finanzminister zeichnet düsteres Bild der chinesischen Wirtschaft/ Rekord-Defizit im Staatshaushalt/ Rückgriff auf erprobt unwirksame Spar- und Sanierungsvorstellungen

Peking (dpa) — Ein düsteres Bild der chinesischen Wirtschaft mit einem weit über den veranschlagten Planzahlen liegenden Rekord-Defizit im Staatshaushalt hat Chinas Finanzminister Wang Bingqian vorgelegt. Vor dem Nationalen Volkskongreß in Peking sprach Wang am Dienstag von einer „äußerst ernsten Lage der staatlichen Finanzen“. Er warnte vor einer zunehmenden Gefährdung der Stabilität, wenn die Probleme nicht „mit kühlem Kopf“ angepackt würden. Vor allem die unrentablen Staatsbetriebe müßten endlich umstrukturiert und auf Vordermann gebracht werden.

Von der verordneten Ausgabendisziplin soll jedoch vor allem das Militär mit seinem meist veralteten Gerät verschont werden. Chinas Führung will nach den Erfahrungen aus dem Golfkrieg offenbar verhindern, daß die Volksbefreiungsarmee militärtechnologisch weiter zurückfällt und hat für dieses Jahr eine Steigerung der Mittel um zwölf Prozent gegenüber dem Vorjahr vorgesehen.

Wang Bingjian bezifferte das Haushaltsdefizit für 1990 — nach chinesischer Berechnung — auf rund 15 Milliarden Yuan (umgerechnet rund fünf Mrd. Mark), das ist eine Steigerung um fast das Doppelte gegenüber dem Budgetdefizit im Jahr zuvor. Wird die im Westen übliche Berechnung zugrundelegt, bei der eingegangene Auslandskredite nicht wie in China als Einnahme verbucht werden, dann ergibt sich noch ein weit höheres Defizit von fast 50 Milliarden Yuan (rund 17 Mrd. Mark).

Dies ist das bisher größte Loch in der Staatskasse seit Gründung der Volksrepublik vor mehr als vier Jahrzehnten. Die Finanzdecke war bisweilen dermaßen knapp, daß in manchen Gebieten — wie Wang enthüllte — sogar die Grundgehälter der Verwaltungsangestellten nicht ausgezahlt werden konnten.

Aus den Angaben von Wang ging hervor, daß vor allem Kreditspritzen für die stagnierende Wirtschaft und hohe Subventionen für unrentabel wirtschaftende Staatsbetriebe zu dem Ausgabenüberhang geführt haben. „Seit Jahren sinken infolge der geringen Rentabilität der Betriebe die realen Gewinne und die an den Fiskus abgeführten Anteile ständig, während die Verluste ständig zunehmen“, stellte Wang fest.

Angesichts der kritischen Finanzlage soll die Spar- und Sanierungspolitik auch in diesem Jahr fortgesetzt werden. Die schwierigen Umstände ließen auch für dieses Jahr keinen deutlichen Abbau des Defizits zu, kündigte Wang an. Allein für den Ausgleich von Betriebsverlusten seien in diesem Jahr mehr als 55 Milliarden Yuan (rund 18 Mrd. Mark vorgesehen) und zur Stützung von Preisen mehr als 33 Milliarden Yuan (rund zehn Mrd. Mark) vorgesehen. Ausgabenkürzungen, die Auflage von Schuldscheinen und höhere Steuern sollen dem Staat etwas mehr Geldspielraum verschaffen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen