: „Schluß mit der Kurzarbeit“
Arbeitgeber-Geschäftsführer glaubt sich im Einverständnis mit Gewerkschaft/ Er irrt: Die IG Metall fordert eine Verlängerung des Kündigungsschutzes bis Ende 1991 ■ Aus Berlin Martin Kempe
Für den Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Dieter Kirchner, ist klar, daß es so nicht weitergehen kann. Der Tarifvertrag über „Kündigungsschutz und Qualifizierung bei Umstrukturierungsmaßnahmen“, so die umständliche Bezeichnung im Tarifgebiet Berlin- Brandenburg für das in der gesamten ehemaligen DDR gültige Vertragswerk, soll nach Meinung seines Verbandes endgültig zum 30. Juni auslaufen. Denn „einmal muß Schluß sein“ mit einer Sonderregelung in der Metallindustrie der FNL, wonach die Beschäftigten auch bei Beschäftigungsmangel nicht gekündigt werden dürfen, sondern entsprechend den in Ostdeutschland geltenden Bestimmungen in Kurzarbeit geschickt werden müssen. Den Spielraum für diese Regelung hatte die für Ostdeutschland geschaffene erweiterte Kurzarbeiterregelung gegeben. Danach können Betriebe auch dann für ihre Beschäftigten Kurzarbeit beantragen, wenn es sich nicht um einen vorübergehenden Auftragsmangel (West-Regelung), sondern um einen Dauerzustand handelt.
Kirchner gab sich gegenüber der taz ganz sicher, daß auch die IG Metall kein Interesse an einer Verlängerung des Kündigungsschutzes habe. Das Bundeskabinett hat angesichts der explodierenden Arbeitslosenzahlen in Ostdeutschland zwar inzwischen beschlossen, die dem Tarifvertrag zugrundeliegende erweiterte Kurzarbeiterregelung bis zum 31.12.91 zu verlängern. Dennoch glaubt sich Kirchner mit der Gewerkschaft einig, daß es sinnlos sei, weiter um jeden Preis unbeschäftigte Arbeitskräfte in den Betrieben zu halten. „Das steht allen Bemühungen entgegen, die Betriebe konkurrenzfähig zu machen“, meinte er. Der Arbeitgeberfunktionär irrt: Am letzten Montag hat der Geschäftsführende Hauptvorstand der IG Metall in Frankfurt beschlossen, eine Verlängerung des Kündigungsschutzes bis zum Jahresende zu fordern. Allerdings muß dieser Beschluß noch vom Gesamtvorstand der Gewerkschaft abgesegnet werden, der am 16. April in Frankfurt tagt — einen Tag vor der von der IG Metall geplanten zentralen Großkundgebung auf dem Berliner Alexanderplatz. In dieser Situation ist kaum vorstellbar, daß der Vorstand dem Votum der Frankfurter Führungsspitze nicht folgt. Allerdings enthält die Forderung der Gewerkschaft eine wichtige Modifizierung gegenüber dem bislang geltenden Tarifvertrag. Hier ist man durchaus der Meinung, „daß der Druck erhöht werden muß“: Wer eine angebotene Qualifizierungsmaßnahme ablehnt, soll seinen Kündigungsschutz verlieren. Die Gewerkschaft versucht, mit ihrer Forderung Zeit für die Neuorientierung zu gewinnen. Und daß diese Neuorientierung auch dann notwendig ist, wenn am Ende einer Qualifizierungsmaßnahme nicht das Versprechen für einen neuen Arbeitsplatz steht, darin stimmt sie mit den Arbeitgebern überein.
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