: Stromtrasse gegen Städteplanung
■ Bewag und Energiebeirat wollen oberirdische Stromtrasse/ Bausenator und Bezirk Spandau sind dagegen/ AL will statt Stromleitung aus Westdeutschland den Verbund mit dem Ostteil der Stadt
Berlin. Kurz vor der Entscheidung des Senates, ob die Stromtrasse durch Spandau zum Kraftwerk Reuter doch oberirdisch verlaufen soll, um Geld zu sparen, ist die Diskussion um die Energie-Nabelschnur neu entfacht. Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) und die ehemalige Umweltsenatorin Michaele Schreyer (AL) meldeten sich gestern zu Wort. Für Nagel wäre der Bau einer Freileitung ein »städtebaulicher Rückschritt um ein Jahrhundert«, der nicht hingenommen werden könne. Die 380-Kilovolt-Trasse würde durch die geplante »Wasserstadt Oberhavel« geführt werden und könne das Wohnungsbauprogramm des Senats deutlich zurückwerfen, so der SPD- Politiker. Aufgeschreckt hatte den Senator, daß sich nicht nur die Bewag, sondern auch der Energiebeirat des Umweltsenators für eine auf zehn Jahre befristete oberirdische Trassenführung durch Spandau ausgesprochen hat. Die Argumente des Beratungsgremiums nach der Prüfung eines Bewag-Gutachtens:
Mit Masten koste die Trasse 80 Millionen Mark, unterirdisch 465 Millionen Mark,
oberirdisch könne die elektrische Nabelschnur 1992 fertig sein, untertunnelt sei dies frühestens 1994 möglich und
durch den Schnellanschluß an Westdeutschland könne der sonst notwendige Bau neuer Kraftwerke vermieden werden.
Die ehemalige Umweltsenatorin Schreyer wies gestern allerdings die Argumente des Gutachtens zurück:
Eine Freileitung könne nicht bis 1992 verwirklicht werden, weil das gesamte Genehmigungsverfahren neu aufgerollt werden müßte,
neue Kraftwerke bräuchten ohnehin nicht gebaut werden, da im Ostteil der Stadt der Stromverbrauch um ein viertel gesunken sei, außerdem
könne die Bewag gegen einen befristeten Genehmigungsbescheid klagen — erfolgreich, schätzte gestern die AL-Abgeordnete.
Der umweltpolitische Sprecher der AL/Bündnis 90, Hartwig Berger, schlug vor, statt an der Stromleitung aus Westdeutschland festzuhalten, solle der bereits um Berlin gezogene Stromring ausgebaut werden. Der Westteil der Stadt wäre an verschiedenen Stellen mit dem Ostteil verbunden. Das ostdeutsche Netz soll bis Ende dieses Jahres in den westeuropäischen Stromverbund eingegliedert werden. Der Spandauer Bezirksstadtrat Klaus Jungclaus forderte, daß die Bewag die im Ostteil notwendigen Umweltschutz- und Energiesparmaßnahmen dadurch finanziert, daß sie ihre Dividenden in den kommenden Jahren kürzt. Die Jahrhundertchance der Wasserstadt dürfe nicht an kurzfristigen Interessen scheitern. Dirk Wildt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen