Welchen Spieler hätten's denn gern?

Über die unverhüllten Versuche der Fußball-Weltmeister, beim 2:1 im Freundschaftsspiel gegen die Sowjetunion Gnade vor den Augen der italienischen Spielbeobachter zu finden  ■ Aus Frankfurt Peter Unfried

Es gab mal Zeiten, früher, viel früher, da waren Fußballänderspiele ein Ereignis, selbst Freundschaftsspielchen wie das vom Mittwoch füllten die Sportstätten mühelos und ließen die Freunde dieses Sports schon Wochen im voraus vor Erregung erzittern. Heute ist man schon stolz, wenn man wie in Frankfurt 30.000 Zuschauer zusammenkratzen kann. Aber wie soll auch Spannung und Vergnügen aufkommen, wenn sich der Gegner über 80 Minuten hintenreinstellt, insgesamt eine Chance hat, und nur deshalb zu einem Tor kommt, weil Bodo das Balli vergeblich suchte und Helmer Auswechselspieler Juran deswegen in die Parade fuhr? Der findige DFB, der solches ahnte, hatte lange überlegt und schließlich einen Weg gefunden, aus einem Langweiler eine elektrisierende Angelegenheit zu machen. Er lud einfach die Chefs der großen italienischen Vereine nach Frankfurt zum (frei nach Rudi Carrell) „Herzblatt“-Spiel. Und das lief so: Die Manager von Inter Mailand, Juventus Turin, Lazio Rom, sowie die Präsidentenwitwe (und damit nach der Erbfolge Präsidentin) von AS Rom spielten die „Picker“, also die, die sich jemand raussuchen dürfen, den Conférencier machte Berti Vogts und die Herzblattkandidaten hießen Stefan Reuter, Guido Buchwald, Matthias Sammer, Thomas Doll und bewährungstechnischer Art die Thomase Häßler und Berthold. Erster Herz- und Nierenblattest: „Schnelligkeit“. Das war natürlich ein gefundenes Fressen für den Bajuwaren Reuter. Der wieselte übers Spielfeld, sprintete in Gassen und bei einem russischen Konter überrundete er gar die behäbigen Galiamin und Dobrowolski. Anerkennendes Getuschel unter den italienischen Eminenzen. Zweiter Test: „Zweikampfstärke“. Der hat den Ball, ich will ihn. Wie mache ich das? Für den Stuttgarter Sammer kein Problem. Er zeigte sich sowohl im „Umhauen“ als auch im Umreißen als Meister.

Neue Disziplin: „Fehlpässe“. Berthold und Sammer starteten gut, doch Thommie Häßler überholte alle. Auch im „Sich-selbst-austricksen“ und „Chancenvergeben“ war er ganz vorne. Dann wieder Berti Berthold. Er entschied das „Über-den- Ball-Stolpern“ (26.) und das „Sich- einholen-lassen“ (45.) mit Rückstand (!) für sich. Vier italienische Köpfe schüttelten sich daraufhin mehrmals (vgl. Vergleich mit Reuter!). Nach gut einer Stunde, Andi Möller hatte inzwischen das „Bankdrücken“ klar für sich entschieden, gaben die Eminenzen dem Conférencier Berti ein Zeichen, worauf letzterer ersteren aufs Spielfeld ließ (Häßli mußte raus, die Eminenzen wolltens, und der Gast ist König!). Weil Möller gar zu gerne „Herzblatt“ werden wollte, rannte der (78.) vom eigenen bis zum gegnerischen Strafraum (was für ein Antritt, die Eminenzen staunten, durfte der doch noch zu Juventus?), spielte dann aber im Bestreben, den Vertrag unter Dach undsoweiter zu bekommen, weder Klinsi noch Rudi an (worauf das Interesse des Intermanagers und von der AS-Witwe sofort erkaltete) und schoß relativ kläglich drüber (steinerne Mienen in der Loge). So war auch in der Kategorie „Toreschießen“ der flinke Reuter mit seinem Linksschuß aus der 65. Minute, der alles andere als Zufall war, „ich hab hin und wieder mit dem Linken Schußversuche gestartet“, der Beste. Wen wollt ihr also nehmen, liebe Italiener, säuselte eine Stimme aus dem Off, und Bert, der Spielleiter, faßte noch einmal zusammen. Thomas Häßler? „Weiß selbst, daß er viel besser spielen muß, wenn er in der Mannschaft bleiben will.“ Thomas Doll? „In der Anfangsphase hat er ein paar Abspielfehler gemacht. Das spricht für ihn.“ (?) Reuter? „Neben Guido Buchwald mit Abstand der Beste.“ Möller? „Hat das gezeigt, was wir alle von ihm erwarten.“ (?) Off: So ihr italienischen Aufkäufer, nun müßt ihr euch entscheiden. Wer soll euer Herzblatt sein? Nach kurzer Beratung erging folgendes Urteil: „Herzblatt“ wird Stefan Reuter, der darf zu „Wir sind uns einig“ Juventus; Guido, der Ratefuchs, hat die freie Auswahl (Parma, Bologna, Lecce), Sammer muß erst mal beim VfB bleiben, Doll wird bei Bayern München geparkt, Berthold geht zur Strafe zurück nach Frankfurt und muß Gerster als Manager übernehmen. Häßler darf zurück nach Köln, zur Fortuna, und Andi Möller hats doch noch geschafft, er darf über den Brenner, für fünf Millionen aus seiner eigenen Sporttasche nimmt ihn der FC Reschensee.

Puuuh, war das spannend, schalten Sie also auch das nächste Mal wieder ein, wenn es heißt „Wir müssen Belgien schlagen“. Kandidaten sind dann Helmer, Binz, Eilts, Effenberg, Legat, Ziege und Egon Köhnen. „Dann sehen wir weiter.“ (Der Conférencier).

UdSSR: Uwarow — Tschermischow — Kulkow (69. Juran), Gorlukowitsch, Galiamin — Kontschelskis (90. Borodjuk), Michailitschenko, Dobrowolski , Schalimow — Koliwanow, Kusnetzow.

Tore: 1:0 Reuter (65.), 2:0 Matthäus (81.), 2:1 Dobrowolski (83./Foulelfmeter)

Deutschland: Illgner — Berthold — Kohler (53. Helmer), Buchwald — Reuter — Häßler (58. Möller)

Matthäus, Sammer, Doll — Völler, Klinsmann.