: FrauenRatschlag-betr.: "Ein Think-tank für die grüne Frauenpolitik", taz vom 18.3.91
betr.: „Ein Think-tank für die grüne Frauenpolitik“ von Susanne Grüter, taz vom 18.3.91
Wir kennen es aus der bürgerlichen Presse; sie/er geht zu einer Veranstaltung, hat keine Ahnung und greift dankbar auf jede Bewertung der/s VeranstalterIn zurück. Heraus kommt: Hofberichterstattung. So auch bei Susanne Grüter über den „FrauenRatschlag zur Zukunft der Grünen“.
Die angeblich verlorengegangene Verbindung zur (autonomen Frauen-)Basis sollte wiederhergestellt werden, und glaubt mensch Susanne Grüter, ist dies gelungen. Doch daß die von der Veranstalterin Elke Kiltz (Bundesvorstand) angeordnete Trennung zwischen Referentinnen und Zuhörerinnen keinen Dialog zuließ, wird nicht mitgeteilt. Auch kein Wort über die Teilnehmerinnenzahl: neun Referentinnen, acht Interessierte. Statt dessen wird kräftig aufgebläht: Von Wissenschaftlerinnen, Journalistinnen, Gewerkschafterinnen, Vertreterinnen von Demokratie Jetzt und Feministinnen (interessante Trennung!) ist die Rede. Kein Satz dazu, daß von über 100 eingeladenen Frauen so wenige kamen.
Mit Formulierungen wie „die Runde war sich einig“, „die Kritikerinnen stellten fest“, „der Frauen- Ratschlag mahnte“ sowie durch indirekte Rede ohne Zuordnung soll Übereinstimmung suggeriert werden. Doch es plädierten zum Beispiel nicht die Teilnehmerinnen für ein Frauenvotum zum Paragraphen 218, sondern Elke Kiltz; ihr Vorschlag wurde von der Runde nicht aufgegriffen. Nicht ein „Frauenkongreß soll her“, sondern eine Frau schlug einen sozialpolitischen Kongreß vor — nachdem zuvor kritisiert worden war, daß die Grünen in Hessen das ausgehandelte Familien- beziehungsweise Sozialministerium (statt Frauenministerium) als Erfolg verkauften. Erst der Einwand von Anne Neugebauer, unterstützt von Carola Möller, verschob den Akzent auf einen frauenpolitischen Kongreß. Auch Carola Möller scheint mit ihren „abweichenden“ Positionen nicht ins Bild zu passen; zumindest wird sie falsch wiedergegeben. So hat sie weder von einer „Neubewertung von Arbeit“ gesprochen noch für die Bezahlung auch der Hausarbeit plädiert. Sie hat darauf verwiesen, bei der Arbeitsbewertung auch die ökologische Seite einzubeziehen, sowie mit Blick auf eine eigenständige Existenzsicherung für Frauen gefordert, die bezahlte und unbezahlte Arbeit unter Männern und Frauen gleichmäßig zu teilen. In dieser Frage sei frau zu fixiert auf die Geschlechterfrage; es gälte, patriarchale und kapitalistische Strukturen wieder zusammenzudenken.
Nicht nur so was Sperriges, auch die für Parteifrauen spannende Kontroverse zur Funktion von Parteiarbeit interessiert die Berichterstatterin nicht. So meinte Helga Braun, in einer Partei ginge es nicht um Perspektiven, sondern um das pragmatisch-politische Alltagsgeschäft. Carola Möller sieht gerade in der Entwicklung von Perspektiven für eine andere Form von Gesellschaft eine Chance für grüne Frauen. Weiter nach vorne denken, eine Nasenlänge voraus sein — das brauche frau, um nicht immer dem Zwang zu ständig Neuem und Attraktivem — wovon zwar die Presse lebe — zu unterliegen.
Daß die Referentinnen zum großen Teil unvorbereitet „diskutiert“ haben und wenig Konkretes dabei herauskam: dafür kann die Berichterstatterin nichts. Daß der angebliche grüne Feministinnenstreit mit Formulierungen wie Selbstlähmung, fehlendes Minimum an Gemeinsamkeit, (Fundi/Realo-, Mütter/Nichtmütter-)Polarisierung, Ideologisierungszwang beziehungsweise Feminismusdogma ständig beschworen wurde, statt die politischen Differenzen zwischen ein paar Realas und Aufbrüchlerinnen auf der einen und den BAG-Frauenpolitik- Frauen auf der anderen Seite (die als „Nur“-Feministinnen sich selbst Strömung genug sind) an inhaltlichen Positionen zu prüfen: auch das ist nicht Susanne Grüter anzulasten.
Doch warum fallen ihr diese Dinge nicht auf? Warum übergeht sie konkrete Analysen wie die von Anne Neugebauer, daß nicht nur die etablierten Parteien die Themen der Grünen „mehr oder weniger verwässert“ aufgenommen haben — so Elke Kiltz im Einladungsschreiben —, sondern von einigen grünen Feministinnen aus (vermeintlichem) Realitätsdruck die „Verwässerung“ selbst betrieben wurde? Und die von Carola Möller, daß die Aufhebung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung mit Reformen nicht möglich sei, daß Frauen Farbe bekennen müßten?
Für die Feststellung „Feministische Positionen haben bei den Grünen gewaltig an Gewicht verloren“ — so der taz-Untertitel — haben wir keinen FrauenRatschlag gebraucht. Ob dies an den Feministinnen liegt, ob es gesellschaftliche Parallelen gibt, ob eine Partei als bürgerlich- patriarchale Einrichtung eine feministische Fundierung ihrer Politik strukturell ausschließt, ob und warum Feministinnen in den Grünen (dennoch?) notwendig sind und was dann unsere gemeinsamen Aufgaben und Perspektiven wären — solche Fragen wurden nicht gestellt. Christiane Tillner,
BAG Frauenpolitik der Grünen, Bad Honnef
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