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Driften als Programm

■ „Sequenz“ — ein Frankfurter Frauenkunstprojekt

Der Initiatorin Charly Steiger kann der Umzug der Frankfurter Frauenschule von der Hamburger Allee in die Hohenstaufenstraße recht sein, wird ihr damit doch das bislang übliche Stühle rein- und rausstellen in den Ausstellungsräumen zukünftig erspart bleiben. Einer der neuen Räume der Schule wird ab dem 1.4. ausschließlich „Sequenz. Magazin für audiovisuelle Projekte“ zur Verfügung stehen, einer Initiative, die Frauen im immer noch von Männern dominierten Kunstbetrieb Raum bietet. Wobei es weniger um Ausstellungen von Bildern geht, sondern um mediale, Grenzen überschreitende Arbeiten. Im zweiten Sequenz-Programm, das im September 1990 veranstaltet wurde, überwogen dementsprechend auch die Bindestrichvokabeln bei der Charakterisierung der Projekte: „Licht-Collagen“, „Klang- und Videoinstallation“, „Klang/Objekte“ — der Verlust tradierter Kunstgattungen in der Gegenwart findet in solchen, oft noch unentschiedenen Begriffen seine Entsprechung.

Das Wechselspiel ist Bestandteil der Reihenkonzeption wie der eigenen künstlerischen Arbeiten Charly Steigers, die zwischen Fotokopien und Mikrophonen für Lärmaufnahmen, zwischen „High & Low“, der „freien“ und der „angewandten“ Kunst pendelt und kein qualitatives Abwägen zwischen den Sparten zulassen möchte. Statt der Differenzen zwischen Kunst und Werbung, Gehörtem und Gesehenem sucht sie lieber die Gemeinsamkeiten und findet sie ohne große Mühe in seriellen Prinzipien, die etwa die Werbung (Einprägen durch Wiederholen) genauso formen wie die Bilder (Rhythmisieren von Bildelementen): die sechziger Jahre lassen grüßen.

Daß serielle Kunst nicht nur Einfluß auf die Form des zur Kunst Gemachten hat, sondern auch die Auswahl der Vermittlungswerkzeuge bestimmt (nicht Pinsel oder Blockflöte, sondern Fotokopierer und Magnetband), ist dabei nur konsequent.

Das Konzept scheint aufzugehen, ist selbst Grat zwischen Galerie und öffentlicher Institution, soll Künstlerinnen bekannt machen, Gelegenheiten bieten, sich mit dem Thema „eigene Ausstellung“ auseinanderzusetzen, aber keine verkaufsfähige Ware von der Wand weg anbieten. Zwar fehlt es wie üblich an Mitteln (die ausstellenden Künstlerinnen erhalten kein Honorar, nur in Ausnahmefällen die Reisekosten, es bleibt beim Bereitstellen der Räume und der Einladungsorganisation/-bezahlung), aber die Medienresonanz war in Anbetracht des für die Bürgerpresse fragwürdigen feministischen Beigeschmacks hervorragend. Die Frankfurter Kunstmesse mit ihrer Leiterin Anita Kaegi hat sich für Sequenz eingesetzt und untersützt eine Videoinstallation während der Kunstmesse: Mitten im Frankfurter Einkaufsgewühl werden dort, wo sonst Videoclips laufen, zwischen dem 18. und dem 24. April an allen Werktagen außer samstags um 17Uhr Filme der Künstlerinnen Cornelia Franke, Karin Hoerler, Annemie von Kerckhoven, Laura Padgett und Alba d'Urbano im Hertie-Haus, Ecke Zeil-/Schäfergasse zu sehen sein. Die alte Idee von Peter Roehr, den permanenten Wechsel von Mikro- zu Makrostruktur mit Hilfe zahlreicher Monitore zu verwirklichen, die längst werbewirksam eingesetzt wird — für fünf Tage wird sie wieder zum Kunstereignis. Das wiederum wirbt, für Sequenz und die „Art“: Driften als Programm.

Und während des Umzugsfestes der Frankfurter Frauenschule am 22.5. (Hoehenstaufenstr.7) wird das Programm noch einmal wiederholt, wenn auch mit weniger Monitoren. Vielleicht gibt es danach endlich Gelegenheit, die bisherigen Erfahrungen öffentlich zu dokumentieren, auch wegzukommen von der Einzelpersönlichkeit hin zum Diskutieren und Experimentieren. Für Künstlerinnen und andere Menschen könnte das Folgen haben. Jörg Stürzebecher,

Ursula Wenzel

Kontakt: „Sequenz“ in der Frankfurter Frauenschule, Charly Steiger, Hohenstaufenstr. 7

6000 Franfurt 1

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