piwik no script img

Jugoslawische Armee verhütet Krieg

■ Kämpfe zwischen kroatischen und serbischen Milizen um das in Kroatien gelegene und zur „serbischen Autonomen Region Krajina“ gehörende Touristenzentrum Plitvice erhöht Spannungen in Jugoslawien

Plitvice (taz/afp/dpa) — Bei einem Feuergefecht zwischen serbischen und kroatischen Polizisten im berühmten Nationalpark Plitvice starben am Sonntag zwei Menschen, mindestens 21 weitere wurden zum Teil schwerverletzt. Kurz nach dem Zwischenfall trat das Staatspräsidium zusammen und beauftragte die Armee mit der Wiederherstellung der Ordnung. Am Montag herrschte in der Region gespannte Ruhe.

„Es ist wie im Krieg“, berichtete ein Reporter von Radio Zagreb, der soeben aus dem jugoslawischen Nationalpark Plitvice, südlich der kroatischen Hauptstadt, zurückgekehrt ist. Die Fernsehbilder des von der Außenwelt abgeschnittenen Gebietes belegen diese Feststellungen: Schwerbewaffnete Polizisten in weißen Anzügen liefern sich in den tief verschneiten Bergen langanhaltende Schußwechsel. Bei einigen Autos ist die Karosserie von Löchern durch Maschinengewehrsalven übersät. Im Schnee sind Blutflecken zu sehen.

Zwischen Serben und Kroaten steigt die nationalistisch motivierte Spannung weiter an. Das Gebiet um Plitvice gehört zur serbischen „Autonomen Region Krajina“, die sich vor zwei Wochen von der zweitgrößten jugoslawischen Republik Kroatien losgesagt hat.

Vor den Polizeistationen verschiedener Städte der Region stehen Hunderte von Freiwilligen, die, mit Jagdflinten oder aus Armeebeständen gestohlenen automatischen Waffen ausgerüstet, darauf warten, in die Kämpfe einzugreifen. Mit Felsbrocken und umgestürzten Bäumen wurden Barrikaden auf den Überlandstraßen errichtet. Die wichtigsten Eisenbahnstrecken vom Inland an die Küste sind unterbrochen. Zwischen den in Plitvice stationierten kroatischen Polizisten und den von Süden anrückenden serbischen Freiwilligenverbänden hat die jugoslawische Armee beim Dörfchen Muknije mit Panzerfahrzeugen eine Sperre errichtet. Die Soldaten sollen eine Abrechnung der aufgebrachten Kroaten und Serben und damit den Bürgerkrieg verhindern.

Wie es zu dem Schußwechsel kam, darüber liegen unterschiedliche Angaben aus Belgrad und Zagreb vor. So behaupten die kroatischen Medien, „faschistoide Banden“ von Krajiner Serben „terrorisierten“ seit Tagen Angehörige der kroatischen Bevölkerung, die sich den „Autonomiebestrebungen“ zu widersetzen suchten. Die „Aufständischen“ hätten einfach Bedienstete der Hotel- und Ferieneinrichtungen in dem Nationalpark gewaltsam vertrieben und die touristischen Einrichtugnen unter ihr Kommando gestellt. Daraufhin habe Zagreb paramilitärische Einheiten zur Aufrechterhaltung von „Ruhe und Ordnung“ entsenden müssen. Die kroatische Regierung hat inzwischen sogar angekündigt, daß sie nach der Vertreibung der „räuberischen serbischen Banden“ aus dem Nationalpark Plitvice auch auf einer Wiedereingliederung der anderen abgespaltenen serbischen Siedlungsgebiete besteht.

Serbische Medien behaupteten dagegen, kroatische Milizen hätten ohne Vorwarnung das „Autonome Gebiet“ besetzen wollen, was die serbischen Milizen zu verhindern wußten. Der Verteidigungsrat des im Park gelegenen serbischen Ortes Titova Korenica richtete kurz nach Ausbruch der Kämpfe einen Hilferuf an das jugoslawische Staatspräsidium. Das Dorf sei eingekreist und werde von kroatischen Hubschraubern überflogen. „Ergreifen sie schnell Maßnahmen, oder wir werden liquidiert!“ hieß es in dem Aufruf. Der Präsident Serbiens, Milosevic, klagte daraufhin das „faschistoide Ustascha-Regime in Zagreb“ an, Jugoslawien ins Verderben zu stürzen. Unterstützung erhielt er von seinem innenpolitischen Gegner Vuk Draskovic, der gestern wörtlich erklärte: „Sollten die kroatischen Verbrecher innerhalb der nächsten 24 Stunden nicht aus Krajina zurückgezogen werden, sind wir bereit, aufzubrechen, um unseren Brüdern und Schwestern beizustehen.

Das jugoslawische Staatspräsidium, das zu einer Sondersitzung zusammengetreten war, forderte am Sonntag abend den Abzug sämtlicher ortsfremder Polizei- und Miliz-Einheiten vom Schauplatz der Zusammenstöße. Gleichzeitig verlangte das höchste Staatsorgan eine „bedingungslose Feuereinstellung“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen