Wie der 'Spiegel‘ „nachrecherchierte“

■ Objekt der aufwendigen Suche sind leider nicht die offiziellen Vertuschungsmanöver

Es konnte ja nicht anders kommen: nachdem „Das deutsche Nachrichten-Magazin“ acht Wochen lang die Berichte der taz über mögliche Zusammenhänge zwischen Ustica und Ramstein verschlafen hatte, mußte auch mal was in den 'Spiegel‘.

Das Problem: Man hatte den Lesern irgendwie zu verklickern, warum man so lange gewartet hatte; gleichzeitig ergab ein Blick in die Archive in Mainz und Rom gähnende Leere, was die von der taz vorgebrachten Argumente betraf. Tatsächlich mußten sich die 'Spiegel‘- Sucher nicht nur italienische Zeitungsberichte, sondern auch den Zwischenbericht der Ustica-Parlamentskommission von der taz zufaxen und Kontakte zu italienischen Kollegen — auch Kritikern der taz- These — von dort beschaffen lassen.

Die Zeit drängte, und da bot sich wohl nur eine Marschroute an: nicht die Unregelmäßigkeiten in der Behandlung des Ramstein-Desasters sind Anlaß zum Nachforschen, nicht der — von der Sabotage-Frage unabhängige — Skandal, daß die italienischen Behörden zwar die Untersuchungen an sich gezogen, bis heute aber nicht an die Übersendung eines strafrechtlichen Abschlußberichtes nach Deutschland denken; auch nicht die Abstinenz deutscher Behörden und die Hasenfüßigkeit deutscher Politiker beim Nachhaken bezüglich der Ergebnisse — nein, die Jagd gilt ausschließlich der taz, die sich erlaubt, auf dunkle Punkte hinzuweisen. Nun wäre die taz für ein fundiertes Abklopfen der von ihr festgestellten Widersprüche sehr dankbar, zumal durch ein mit so viel Mitteln versehenes Blatt wie der 'Spiegel‘.

Unerfindlich bleibt aber, wieso der 'Spiegel‘ glaubte, mit der dann losgeschickten Crew ein Thema hopplahopp wegarbeiten zu können, an dem sich hunderte italienischer Journalisten und Dutzende von Staatsanwälten und Abgeordneten seit elf Jahren die Zähne ausbeißen: Zwei zwar sicher rechercheerprobte, jedoch im Umgang mit den Methoden der weltbesten Verschleierungsprofis (als die Italiens Geheimdienste gelten) völlig unerfahrene Redakteure aus Mainz, dazu die noch immer mit Einarbeitungsschwierigkeiten kämpfende Rom- Korrespondentin sowie ein freier Mitarbeiter. Das Ergebnis sieht denn auch danach aus: Alle, aber auch alle 'Spiegel‘-Einwände sind schon in den vorangehenden taz-Artikeln berücksichtigt.

Ein paar Takte müssen wir aber noch einem anderen Aspekt der 'Spiegel‘-Arbeit widmen. Lassen wir die geradezu unflätige Form der Angriffe gegen die taz beiseite (die taz, eine „Gazette“, „macht ihren Lesern weis“, bietet „waghalsige Theorien“, ein „Konglomerat von Spekulationen“ usw.): die Mittel, die die „Spieglein“ bei ihrer Arbeit anwandten, gehören auch nicht gerade zur feinen englischen Art. Da bombardierten die Mainzer die taz- Redaktionen in Berlin und Italien regelrecht, um an die einschlägigen Dokumente heranzukommen; da ließ Italien-Korrespondentin Valeska von Roques per Fax wissen, sie habe „ein paar Fragen zu den Enthüllungen“. Zurückgerufen, hatte sie dann aber keine Fragen, sondern überschüttete den Korrespondenten- Kollegen mit einer wahren Suada von Vorwürfen wegen seiner „Verantwortungslosigkeit“, dem Bericht der Militärs nicht zu trauen; und überhaupt, sie habe „mit allen, die sich verantwortlich mit dem Fall befaßt haben“, gesprochen, vom Untersuchungsrichter über Parlamentarier bis zu Militärs, und alle hielten die Sache „für ein Hirngespinst“.

Auf Nachfrage, wer denn diese Verantwortlichen seien, reduzierte sich dann alles zu mehr oder minder unverbindlichen Statements von Personen, die sich mit Ramstein überhaupt nicht befaßt hatten (wie Kommissionspräsident Gualtieri) — oder aber, wie Nachprüfungen ergaben, es hatte die behaupteten Erklärungen gar nicht gegeben, oder Frau v. Roques hatte die Formulierungen schlicht sprachlich mißverstanden (wie Sergio de Julio von der Parlamentskommission klarstellte). Und der „verantwortungsvolle“ Militärbericht — nun, genau der ist es ja, den die taz in Zweifel zieht. rai