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Wenn selbst Wirtschaftsargumente nichts mehr zählen

1999 soll Straßenverbindung zwischen Dänemark und Schweden fertig sein/ Die Öresundbrücke ist nur finanzierbar, wenn der Verkehr vervielfacht wird  ■ Aus Kopenhagen R. Wolff

Die Brücke über den Öresund wird gebaut. Baubeginn ist spätestens 1994. 1999 dann sollen Schweden und Dänemark durch eine Brücke verbunden sein. Den entsprechenden Regierungsvertrag haben der dänische und der schwedische Verkehrsminister vor Ostern unterzeichnet — über ein Projekt, das sich nach Auffassung von UmweltschützerInnen rechts und links vom Öresund nur rechnet, wenn der Autoverkehr deutlich zunimmt.

Die ersten ernsthaften Pläne für eine Öresundbrücke datieren breits aus dem Jahr 1936: von Bauunternehmen aus Schweden, Dänemark und dem Deutschen Reich. Sie haben lange warten müssen, die großen Baukonzerne. Doch jetzt haben die, die den Zuschlag erhalten werden, erst einmal ausgesorgt, mindestens für die nächsten fünfzehn Jahre. Wenn 1993 die erste Etappe, die Bahnverbindung, des kombinierten Brücken- und Tunnelbaus über den Großen Belt zwischen den dänischen Inseln Fünen und Seeland fertig ist, kann es mit der Öresundbrücke gleich weitergehen. Und bevor diese richtig fertig ist, winkt der nächste Auftrag: ein Tunnel oder eine Brücke über den Fehmarnsund zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark.

Der sowieso vorhandene Verkehr zu Straße und Schiene wird statt über zeitraubende und abgasspuckende Fähren eben über eine Brücke laufen. Zum Wohle der Wirtschaft, des Tourismus, der Umwelt. So oder ähnlich wird das Milliardending von seinen BefürworterInnen verkauft. Die paar Brückenpfeiler im Wasser werde die Ostsee schon verkraften, die umweltfreundlichere Alternative, nämlich eine reine Bahnverbindung, rechne sich leider nicht.

Was sich nach Meinung der KritikerInnen vorne und hinten nicht rechnet, sind die Kalkulationen der Kosten — in Kronen und in Umweltschäden. Die Rechnung, wonach die Brücke keinen zusätzlichen als den schon vorhandenen Verkehr anziehen wird, geht nämlich nicht auf. Nicht nur, weil bekanntlich jeder neue Verkehrsweg zusätzlichen Verkehr schafft, sondern auch, weil sich die regierungsamtlichen ExpertInnen falsch gerechnet haben. Diese gehen davon aus, daß die Kosten für die Benutzung der Brücke abschreckend hoch bleiben würden. Umgerechnet rund 50 D-Mark kostet es derzeit, sich mit dem Pkw von Dänemark nach Schweden hinüberschippern zu lassen. Eine Ausgabe, die sich nur dann lohnt, wenn — wie derzeit — auf der einen, der dänischen, Seite billiger Alkohol lockt oder die Fahrt nun mal sein muß.

Weder die dänische noch die schwedische SteuerzahlerIn soll der Brückenbau auch nur eine Krone kosten. Allein unter dieser Voraussetzung hatten sich die Parlamente beider Länder ein „Ja“ zum Brückenprojekt entlocken lassen. 16 Milliarden Kronen (umgerechnet etwa 4,5 Milliarden D-Mark) lautet die Basis, auf der offiziell das Projekt entstehen soll. 50 Prozent höher, nämlich bei 24 Kronen, liegt die Kostenschätzung der Banken, welche die ganze Geschichte vorfinanzieren müssen. Das wären aber erst die Kosten allein für die Brücke, ohne die Anschlußstraßen in beiden Ländern, die mit weiteren zehn bis zwölf Milliarden zu Buche schlagen. Der prognostizierte Verkehr, die zugrundegelegte Gebühr: Sie würden nicht einmal die laufenden Zinsen decken. Nur eine radikale Senkung der Benutzungsgebühr — beispielsweise auf umgerechnet zehn D-Mark pro Pkw — könnte dies: Dann würden statt 5.000 täglich 30.000 Pkw die Brücke benutzen, wie ForscherInnen ausgerechnet haben. Trotz niedrigerer Gebühr kämen mehr Kronen herein.

Autoabgase sind schon jetzt das schwerwiegendste Umweltproblem in Südschweden und im Großraum Kopenhagen: 80 Prozent des CO2- Ausstoßes kommen aus den Auspuffrohren. Selbst bei derzeit bestmöglicher Reinigungstechnik würde der zu erwartende Verkehr die Abgasbilanz steil nach oben drücken. Vor allem in Schweden steht das autofreundliche Projekt auch im direkten Gegensatz zur offiziellen Regierungslinie, den individuellen Autoverkehr zurückzudrängen.

Nicht nur in der Luft und auf dem Land wird die Öresundbrücke negative Auswirkungen auf die Umweltbilanz haben. Der Brückenbau wird auch das gesamte Meeresleben in Mitleidenschaft ziehen. Allein der Wasserdurchfluß zur Ostsee wird sich nach Berechnung verschiedener ForscherInnen um 20 Prozent vermindern: Modellversuche zeigen, daß sich von den Pfeilern der 15 Kilometer langen Brücke her durch eine Änderung der Strömungsverhältnisse breitflächige Staus fortsetzen, die die Brücke in ihrer Wirkung zu einer Staumauer werden lassen.

GeologInnen setzen noch einen weiteren Minusposten auf das Projekt — auch sie werden nicht ernst genommen: Der Meeresboden unter dem Öresund ist eine Zone starker unterirdischer Spaltenbildung und Plattenverschiebungen. Daß die Erde hier noch nicht zur Ruhe gekommen ist, zeigten wiederholt Erdbeben. Das letzte, vor sechs Jahren, ließ die Richterskala immerhin bis auf den Wert 4,5 ausschlagen.

Doch die Gegenargumente sind nicht gefragt. Dabei schien der Brückenschlag noch vor zwei Jahren mausetot. Damals blockten dänische und schwedische SozialdemokratInnen das Projekt ab — mit all den Argumenten, die heute nicht mehr zählen sollen. Doch die Brückenlobby, vor allem in den Konzernbüros zu Hause, leistete ganze Arbeit. Schweden für immer vom europäischen Markt abgeschnitten — ein unüberwindlicher Konkurrenznachteil?

Nein, ein Transitweg über Land muß her, auch wenn er vor allem für den individuellen Autoverkehr Sinn macht. Die Eisenbahn hat die Vorteile des Fährverkehrs herausgestellt und klar gemacht, sich nicht an den Kosten des Brückenbaus beteiligen zu wollen. Auch die großen Speditionen scheinen eher skeptisch. Sie sparen mit den auf Fähren abgestellten Trailern Kosten — Fahrer brauchen sie nur noch ab und bis Hafen.

Vor allem aber geht das Beschleunigungskonzept nur auf, wenn der Landanschluß, weiter nach Deutschland, schnell kommt. Die schwedische Regierung hat von Anfang an klar gemacht, daß die Öresundbrücke, wenn schon, dann nur die erste Etappe einer festen Verbindung zum Kontinent sein könne. Der neue schnelle Weg über die Häfen von Rostock oder Saßnitz nach Schweden wirkt wiederum in Dänemark als Argument für die durchgehende Straßenverbindung. Sonst droht nämlich Dänemark in einigen Jahren trotz Öresundbrücke doch wieder die Randlage. Die Interessen Dänemarks treffen sich daher jetzt mit denen Schwedens und Schleswig-Holsteins: Die Route Hamburg-Kopenhagen-Schweden muß es sein.

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