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Frauenhaus macht dicht

■ Anhaltendem Zustrom mißhandelter Frauen nicht mehr gewachsen/ Senat bereitet Gesetzesinitiative vor

Berlin. Ab heute bleiben die Pforten des 2. autonomen Frauenhauses geschlossen. Grund ist die seit Monaten anhaltende Überfüllung, der sich die Einrichtung nicht mehr gewachsen sieht. Zur Zeit wohnen dort rund 100 Frauen und Kinder, obwohl das Frauenhaus offiziell nur für 70 Personen vorgesehen ist.

»Die Frauen müssen zum Teil im Wohnzimmer schlafen«, klagte eine Mitarbeiterin gegenüber der taz. In Zimmern von oft nur acht Quadratmetern wohnen bis zu sechs völlig überforderte Frauen und Kinder. Die erlebten Mißhandlungen zu verarbeiten sei unter diesen Umständen nur schwer möglich, die Mitarbeiterinnen haben kaum noch ausreichend Zeit, in Gesprächen auf die Sorgen und Ängste der Bewohnerinnen einzugehen. Deshalb »können wir unsere bisherige Konzeption, jede aus einer Gewaltsituation flüchtende Frau aufzunehmen, nicht mehr einhalten«, heißt es in der Erklärung der Frauenselbsthilfe.

Das 1. autonome Frauenhaus nimmt noch Frauen auf — obwohl es ebenfalls voll ist. Sehr viele Frauen flüchten seit der Maueröffnung auch aus dem Osten in ein schützendes Frauenhaus — »mit der zunehmenden Bewegungsfreiheit hat sich scheinbar auch die Gewaltbereitschaft der Männer ausgedehnt«, meint eine Mitarbeiterin bitter. In ihre Wohnungen können die Frauen später dann nicht mehr zurückkehren und müssen deshalb, allein schon weil sie keine Bleibe finden, lange Zeit im Frauenhaus verbringen.

Inhaltlich steht Helga Korthaase, Staatssekretärin in der Senatsfrauenverwaltung, ganz auf der Seite der Frauenhäuser: Zur Zeit arbeitet die Verwaltung an einer Gesetzesinitiative, wonach den mißhandelten Frauen künftig die gemeinsame Wohnung zugesprochen werden soll. Die Kosten für die Unterbringung in Pensionen könnten vom Senat derzeit nicht übernommen werden. Versucht wird jedoch, über Träger wie »Stattbau« Wohnungen speziell für Frauen zu bekommen. »Der Ist-Stand reicht nicht aus, das ist klar«, bedauert Korthaase die Ankündigung des 2. autonomen Frauenhauses. Bei den Finanzen für Zufluchtswohnungen dürfe nicht gespart werden. maz

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