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Herthas lascher Abgang

■ Hertha BSC verlor mit 2:4 gegen VfL Bochum

Sich über uns jetzt lustig zu machen, ist kein Kunststück.“ So urteilte kürzlich Peter Neururer, in dieser Saison dritter Trainer vom Bundesligaletzten Hertha BSC, über den Umgang der Berliner Presse. So möchten wir uns ohne jeden Spaß der arg geplagten Berliner annehmen und das leidige Thema Hertha BSC und die erste Bundesliga abschließen.

Anlaß: das jüngste Heimspiel gegen den VfL Bochum. Zum allerletzten End- und Schicksalsspiel war es erkoren worden. Nun, solch dramatische Fußballtragik schien in Berlin kaum noch jemand zu reizen, gerade mal 7.000 BesucherInnen verteilten sich so geschickt in der düsteren Steinschüssel Olympiastadion, daß sie kaum zu sehen, geschweige denn zu hören waren. „Vorher war ich enttäuscht, hinterher froh, daß nicht mehr Leute das ansehen mußten“, sprach der frustrierte Neururer.

Und hatte Recht. Denn was die Herthaner an letzter Anstrengung zeigten, um dem drohenden Abstieg zu entgehen, konnte nicht mal mehr Mitleid erregen. Oder gar Lust zu spotten. Zwar gaben sie sich schon ordentlich viel Mühe, doch selbst das reicht längst nicht für die erste Bundesliga. Ob es nun das Schleichen über den Platz ist, planloses Abspiel oder grauselige Fehler im Umgang mit dem Ball. Selbst bescheidenen Fans sollte dies nicht länger zugemutet werden.

Nur einer zeigte Mitleid: Schiedsrichter Scheuerer. Der verschenkte einen Elfer und somit den Berlinern das erste Heimspieltor seit fast einem halben Jahr. Da wollten die Bochumer in Freundlichkeit natürlich nicht nachstehen. Sie nutzten Möglichkeiten zum Toreschießen nur, wenn sie sich nicht mehr vermeiden ließen, sprich, wenn die Schnitzer einiger Herthaner so kraß waren, daß ein Mißachten derselben für den VfL peinlich geworden wäre.

Die nötige Reife für die erste Liga besitzt einzig der unglaubliche Optimismus des Trainers. Bisher hatte Neururer noch nie mehr als einmal hintereinander verloren und jetzt schon eine schlechtere Bilanz als seine beiden Vorgänger Fuchs und Csernai.

Doch schließlich verfolgte das Pech die Herthaner so gnadenlos in dieser verkorksten Saison. Meist war ein halbes Dutzend wichtiger Spieler krank, auch gegen den VfL Bochum schieden wieder zwei wegen Verletzung aus. Eine andere Mannschaft, der das permanent passiert, ist bekanntlich Erste in der Tabelle.

So werden sich die Herthaner zu Saisonende zumindest in der ewigen Bundesligatabelle der miserabelsten Leistungen in der Spitzengruppe plazieren können — neben drei anderen Berliner Vereinen. Denn auch die Funktionäre erbrachten gute bis außergewöhnliche Leistungen: In guter alter Hertha-Tradition ist falsch gerechnet, schlecht geplant und exakt an der Realität vorbeigeschaut worden. Nebenbei wird nun versucht, peinliche Fehler zu vertuschen oder anderen zuzuschieben, so lang, bis es keiner mehr gewesen ist, weil ja keine Fehler gemacht wurden.

Einzig wurde die Überheblichkeit als „blauäugig“ eingesehen, das Team nach dem Aufstieg nicht genügend verstärkt zu haben. Kein Wort jedoch von finanziellen Aufwendungen für ein halbes Dutzend Fehleinkäufe, drei Trainer und zwei Manager. Ganz zu schweigen von einer Kalkulation, die es schon im Winter erforderlich machte, den besten Stürmer zu verkaufen.

Über peinliche Verträge mit festgesetzeten niedrigen Ablösen wird schon gar nicht geredet. Aber bereits von der zweiten Liga. Es soll schon „konkrete Gespräche und Planungen für den sofortigen Wiederaufstieg“ geben, so Vize Michael Bob. Konkret zu sagen, wo Geld und fähige Spieler für die zukünftigen großen Taten herkommen soll, konnte, sollte, durfte oder wollte niemand. Es geht also weiter wie gehabt, nichts gelernt. Da bleibt nur noch Sprachlosigkeit. schmiernik

VfL Bochum: Wessels — Kempe (53. Ridder) — Oswald, Herrmann — Heinemann, Nehl, Zanter, Rzehaczek, Legat (82. Helmig) — Wegmann, Milde.

Zuschauer: 7.052.

Tore: 0:1 Milde (13.), 1:1 Gries (24./Foulelfmeter), 1:2 Nehl (39.), 1:3 Wegmann (70.), 1:4 Wegmann (73.), 2:4 Unglaube (83.).

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