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IGM beklagt Schnaps am Arbeitsplatz

■ IG Metall: Jeder siebte Arbeitnehmer hat Alkoholprobleme/ Handbuch über Suchtprobleme soll Arbeitnehmervertretern die Hilfe erleichtern/ Frauen bei Tablettenabhängigkeit stark vertreten

Frankfurt (dpa/taz) — Alkohol regiert auch am Arbeitsplatz: Jeder siebte Arbeitnehmer in der Bundesrepublik hat nach Einschätzung der Industriegewerkschaft Metall Alkoholprobleme. Die daraus entstehenden Sozialkosten in der Bundesrepublik Deutschland bewegen sich zwischen 50 und 120 Milliarden Mark jährlich.

Diese Zahlen nennt die Gewerkschaft in einem am Mittwoch in Frankfurt am Main vorgestellten Handbuch zu Suchtproblemen am Arbeitsplatz.

Alkohol als Droge

Abhilfe kann nach ihrer Meinung nur mit Betriebsvereinbarungen und der Berufung von Gesundheitsbeauftragten in den Betrieben geschaffen werden.

Alkohol, so das Vorstandsmitglied der Industriegewerkschaft Metall, Horst Schmitthenner, habe den Charakter einer Droge bekommen, „mit dem Menschen sich betäuben, um ihre Arbeit und ihre Arbeitsumwelt aushalten zu können“. Das Thema Krankheit und Suchtverhalten am Arbeitsplatz müsse aus diesem Grund in den Betrieben zur Sprache gebracht werden. Das Sucht-Handbuch solle dabei auch für Betriebsräte und Vertrauensleute eine wichtige Hilfe sein.

Untersucht hat die Gewerkschaft die „klassischen“ Suchtstoffe Alkohol, Medikamente und Drogen, aber auch Eßstörungen, Nikotin-, Spiel- und Arbeitssucht. Gründe für die zunehmende Abhängigkeit vieler Beschäftigter orten Experten vor allem in der „ausschließlichen Festlegung der Gesellschaft auf Leistung und Konsum“ sowie in der leichten Verfügbarkeit von Suchtstoffen.

Immer mehr Medikamentenmißbrauch

Neben dem Alkohol werde der Medikamentenmißbrauch immer mehr zum Problem, erklärte die Suchtbeauftragte der Industriegewerkschaft Metall, Rita Rußland. Besonders auffällig sei der hohe Anteil von weiblichen Arbeitnehmern unter den rund einer Million Medikamentenabhängigen in der Bundesrepublik Deutschland.

Während die westdeutschen Bürger im statistischen Durchschnitt im Jahr 1950 rund drei Liter reinen Alkohol tranken, waren es laut Gewerkschaft 1990 schon knapp zwölf Liter. Auch in den fünf neuen Bundesländern seien im Jahr 1988 pro Kopf elf Liter reiner Alkohol getrunken worden.

Schnaps im Osten, Kir Royal im Westen

Einen Unterschied im Alkoholkonsum sieht die IG Metall nur inhaltlich gegeben: Während in der Ex-DDR vor allem Bier und „harte Sachen“ konsumiert würden, gebe es in den alten Bundesländern einen „Edel- Alkoholismus“, es werde Wein und Sekt bevorzugt.

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