Spitze des Eisbergs ist nicht in Sicht

■ Im April ist mit sprunghaftem Anstieg der Arbeitslosenqote in Ost-Berlin zu rechnen/ Unterschiedliche Entwicklung in beiden Stadthälften wird sich weiter fortsetzen/ Für die überwiegende Zahl der Kurzarbeiter heißt das: Mit Viertelkraft voran

Berlin. Was dem einen sein Freud, ist dem andern sein Leid: Während im März im Westteil der Stadt die Zahl der Arbeitslosen aufgrund der anhaltend guten Konjunktur von 93.458 auf 92.968 und somit auf 9,4 Prozent zurückging, stieg die Arbeitslosenquote in Ost-Berlin auf 10,7 Prozent (Februar: 10,4 Prozent).

Die Spitze des Eisbergs ist im Ostteil der Stadt jedoch noch lange nicht erreicht: Die Tatsache, daß 55,2 Prozent der 86.759 Kurzarbeiter nur ein Viertel oder weniger der betriebsüblichen Arbeitszeit malochen dürfen sowie die hohe Zahl der Warteschleifler deutet darauf hin, daß es in Ost-Berlin nach wie vor ein hohes Maß an zurückgestauter Arbeitslosigkeit gibt. Da Beschäftigungsverhältnisse überwiegend zum Quartalsende auslaufen, ist im April mit einem sprunghaften Anstieg der Arbeitslosigkeit zu rechnen. Das Landesarbeitsamt bemängelte zudem, daß die Zahl der in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) tätigen ArbeitnehmerInnen nur geringfügig gestiegen sei. Potentielle ABM-Träger verhielten sich zu abwartend und auch bei vielen Arbeitslosen stieße eine ABM-Beschäftigung nach wie vor auf Vorbehalte.

Im Westteil der Stadt wirkte sich vor allem die weiterhin gute Auftragslage der Betriebe günstig aus: Die Zahl der Kurzarbeiter liegt mit 5.610 weiterhin auf einem niedrigen Niveau. Die Arbeitslosenquote für Männer ging im Vergleich zum Vorjahr um 0,1, die für Frauen sogar um 0,9 Prozent zurück. Die Zahl der arbeitslosen Zugezogenen/Übersiedler reduzierte sich binnen Jahresfrist um mehr als die Hälfte auf 6.087. Zugenommen hat dagegen die Zahl der arbeitslosen Ausländer: Hier stieg die Quote im Vergleich zum Vorjahresmonat von 13,1 auf 14,0 Prozent.

Im Laufe des Jahres, prophezeite das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in seinem jüngsten Wochenbericht, werde sich die gespaltene Entwicklung in beiden Stadthälften fortsetzen. In den westlichen Bezirken werde die Wirtschaft weiter kräftig expandieren, allerdings mit gedrosseltem Tempo im Vergleich zum außerordentlichen Wachstumsschub des Vorjahres. Ursache sei ein starker statistischer Überhang — viele noch zu erfüllende Aufträge stammen aus dem letzten Jahr. In der Ostberliner Industrie dagegen werden die strukturellen Probleme noch stärker als bisher hervortreten, die Arbeitslosigkeit nehme weiterhin stark zu. In vielen Bereichen, schätzt das DIW, komme die Anpassung jedoch schnell voran. Eine große Rolle spielten dabei von West-Berlin ausgehende positive Impulse, wie beispielsweise die anhaltende Nachfrage nach Bauleistungen. Aus diesem Grund, so das DIW, verlaufe die Beschäftigungsentwicklung in Ost-Berlin günstiger als in den übrigen neuen Ländern. maz