: Schläge in die Magengrube von Naturschützern
Die Geschäftsleitung der Lausitzer Braunkohlen AG (Laubag) will auf keinen Fall auf die „Inanspruchnahme des Hammergraben“ verzichten und schwärmt von einer gewässerreichen Bergbau-Folgelandschaft mit „hohem Naherholungswert“ ■ Von Irina Grabowski
Cottbus (taz) —Im Zick-Zack windet sich eine Naturschönheit durch das Cottbuser Revier — der Hammerstrom. Einst, so geht die Sage, sei der Teufel auf seinem schwarzen Rappen durch die Lausitz geritten und habe aus purem Übermut dem fließenden Wasser mit seinem Dreizack diese eigentümlichen Windungen verpaßt. Doch in Wirklichkeit wurde der Hammergraben, der in Cottbus die Spree verläßt, im 15. Jahrhundert von Franziskanermönchen nach allen Regeln der Vermessungskunst und Nivellierung geschaffen. Er beflutet die Teiche von Lakoma und Peitz, aus denen die Mönche ihre selbstgezüchtete Fastenspeise fischten.
Über die Jahrhunderte hat sich eine artenreiche Fauna und Flora angesiedelt, darunter vom Aussterben bedrohte Fischotter, Fischadler und Wiedehopfe. Seit fünfhundert Jahren funktioniert dieses mittelalterliche Wasserbauwerk. Nun sollen fünf Kilometer des insgesamt 22 Kilometer langen Stromes der Braunkohle geopfert werden.
Unaufhaltsam nähert sich der Tagebau Cottbus-Nord, in dem seit 1981 Kohle für das Kraftwerk Jänschwalde gefördert wird. Schon wurden die Reichsbahnstrecke Cottbus-Guben verlegt, die Ortschaft Lakoma bis auf acht Familien beiseite geräumt und an einem Ersatz für die Teichgruppe und Hammerstrom gebastelt. Die Geschäftsleitung der Lausitzer Braunkohlen AG (Laubag) will auf keinen Fall auf die „Inanspruchnahme des Hammergraben“ verzichten und schwärmt von einer gewässerreichen Bergbau-Folgelandschaft mit „hohem Naherholungswert“. Die Spree und viele ihrer Nebenflüsse sind direkt von Grubenwassereinleitungen abhängig. Wenn letztere mit auslaufender Kohleförderung eingestellt werden, könne der Restlochsee als Wasserspeicher eine bedrohliche Absenkung des Wasserstandes verhindern. Wenn der Hammergraben bleibt, klagt Laubag-Chef Dieter Henning, würden 80 Millionen Tonnen Kohle „verloren gehen“.
Pfarrer Helmut Gröpler könnte diesen „Verlust“ durchaus verschmerzen. Er brachte 1989 Denkmalpfleger, Botaniker, Binnenfischer und Bürgergruppen zusammen, um gegen die Zerstörung der wertvollen Feuchtbiotopansammlung zu protestieren. Eingabe an Modrow, Protestmärsche und persönliches Intervenieren bei den Behörden — nichts hat gefruchtet. Die Laubag fährt große Geschütze auf. Doppelstellige Millionenbeträge habe der Tagebauaufschluß gekostet, zwei Millionen Mark seien für „naturschützerische Maßnahmen“ draufgegangen. Fehlinvestitionen könne sich das Unternehmen nicht leisten.
Die „Tragik des Problems“ liegt nach Meinung der Wissenschaftler vom Finsterwalder Institut für Landschaftsforschung und Naturschutz im Widerspruch zwischen der hohen Qualität des Feuchtsgebietes und der geringen Überlebenschance. Auch wenn die Kohlebagger noch vor dem Hammergraben haltmachen würden: Auf jeden Fall werde „die Ökosystemstabilität beeinträchtigt“. Also weg mit Schaden?
Entscheiden wird letztlich das Umweltministerium in Potsdam. Minister Matthias Platzeck, in der Ex-DDR der einzige Vertreter von Bündnis 90 auf diesem Posten, hat sich im zähen Koalitionsgefecht mit der Raumordnung auch die Verantwortung für die Braunkohlenpläne aufgeladen.
In der vorigen Woche war Platzeck mit einer ganzen Schar von Naturschützern, Raumordnungs- und Immessionsschutzexperten zur Promotiontour ins Lausitzer Revier ausgeschwärmt. Gastgeber Dieter Henning, von Rheinbraun zur Geschäftsführung der Laubag abgestellt, benannte klar das Unternehmensziel: Die Braunkohle soll als eigener Rohstoff Brandenburgs die Konkurrenz mit der Steinkohle und der Kernenergie bestehen. Sie gibt 60.000 Menschen in der Lausitz Arbeit. Noch lagern 11 Milliarden „gewinnbare“ Vorräte in der Erde. Der Bedarf sei schon gesunken — mit 130 Millionen Tonnen Rohkohle in diesem Jahr ist die Förderung gegenüber 1989 um ein Viertel zurückgegangen. Die Laubag wolle sich auf Tagebau in Kraftwerksnähe zurückziehen. Dazu gehöre nunmal Cottbus-Nord, das bis zum letzten Kohlekrümmel ausgekratzt werden müsse, um Jänschwalde zu versorgen. Das mit Plastikfolie ausgelegte Ausweichbett für den Hammergraben war den Naturschutzexperten ein Schlag in die Magengrube.
Platzeck muß zur Regierungserklärung stehen, wonach die Verstromung von Braunkohle eine Zukunft hat, „wenn sie umwelt- und sozialverträglich verwendet wird“. Der Umweltminister schrieb seinem Ministerpräsidenten noch Energiesparmaßnahmen, Aufbau dezentraler Energieversorgung und die Übernahme von Energieversorgungsunternehmen und Verteilernetzen in „kommunale Trägerschaft“ in das Papier. Damit sei die Diskussion über den Neubau von „sauberen“ Braunkohlekraftwerken noch nicht beendet. „Wir werden uns“, holte Platzeck zum Spagat aus, „zukunftsträchtigen Lösungen nicht verschließen“. Und im Hintergrund lauern „Rekultivierungsdefizite“ von etwa 15.000 Hektar Bergbau-Folgelandschaften — 1.200 Hektar reine Aschenflächen und etwa 200 Deponien, kontaminierte Böden undsoweiter.
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