: Offener Brief an Präsident George Bush, Francois Mitterrand, John Major
an Präsident George Bush, Präsident Francois Mitterand, Premierminister John Major
Schon lange habe ich daran gezweifelt, daß die USA, die UdSSR und die europäischen Regierungen die Freiheit und Würde der Menschen im Irak verteidigen. Dies ist nun leider eine bittere Tatsache geworden.
Nachdem sich die USA und ihre Verbündeten für den Krieg entschieden hatten, anstatt die internationalen Sanktionen fortzusetzen und andere politische Maßnahmen — wie zum Beispiel den Ausschluß des irakischen Regimes aus der UNO — zu ergreifen, wurde durch das Bombardement die gesamte Infrastruktur des Irak zerstört und unser Land in die Zeit vor der Industrialisierung zurückgeworfen. Außerdem wurden tausende unschuldiger Menschen getötet. [...]
Die Alliierten, die einen Teil des Irak besetzen, schauen nicht nur der Tragödie des irakischen Volkes zu, sondern haben sogar dem Tyrannen erlaubt, seine Kampfhubschrauber, Raketenwerfer und Panzer dafür einzusetzen. In ihren offiziellen Erklärungen stellen sie den Aufstand des Volkes als Rebellion der Schiiten und der Kurden dar.
Diese heuchlerische Haltung der Alliierten bestätigt meine früheren Befürchtungen. Diese Einstellung der Alliierten gibt uns den Eindruck, daß sie wegen ihrer eigenen Interessen in der Region einen schwachen Saddam Hussein oder einen „Marionetten-General“ besser finden als eine demokratische Regierung, die von dem Volk gewählt werden sollte.
Die Medien in USA und Europa verbreiten das Gerücht, daß die Schiiten einen fanatischen islamischen Staat und die Kurden einen unabhängigen Staat gründen wollen. Die Schiiten und die Kurden, die 80 Prozent der Bevölkerung Iraks ausmachen, sind realistisch: Weder die Schiiten, noch die Kurden stellen radikale Forderungen. Sie wollen gemeinsam mit den sunnitischen Arabern, Türkmanen und Assyrern Gerechtigkeit und Frieden im ganzen Land schaffen. Sie sind davon überzeugt, daß nur eine künftig demokratische Regierung im Irak die einzig richtige Lösung für alle ihre Probleme ist.
Deshalb möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie unser unterdrücktes Volk nicht im Stich lassen dürfen, indem Sie in einem demütigen Saddam Hussein einen harmlosen gehorsamen Diktator sehen. [...]
Wenn die Alliierten als Alternative für Saddam Husseins Regime oder das aufständische Volk auf einen militärischen Putsch setzen, dann ist diese Kalkulation falsch. Es ist sinnlos, die schiitische Mehrheit im Irak zu ignorieren. Das gleiche gilt für das Selbstbestimmungsrecht der Kurden — obwohl die Kurden regionale Autonomie innerhalb des Iraks anstreben.
Man kann den Golfkrieg gegen Saddam Hussein nicht mit dem Selbstbestimmungsrecht des kuwaitischen Volkes rechtfertigen und das irakische Volk von Saddam abschlachten lassen, weil das Volk um das gleiche Recht gegen ihn kämpft.
Frieden und Freiheit im Irak und dem ganzen Nahen Osten können nur durch Vernunft praktiziert werden. Die irakische Opposition hat jetzt nach jahrelangem Tauziehen den Wert der Einigkeit und Kompromißbereitschaft erkannt.
Der Volksaufstand im Irak ist ein Aufschrei gegen die Tyrannei. Die Alliierten sollten diese Tatsache endlich begreifen; schließlich tragen sie eine große Verantwortung für alles, was heutzutage im Irak geschieht. Sie sollten sich daher an die Seite des irakischen Volkes stellen und die Aufständischen zumindest moralisch, politisch und wirtschaftlich unterstützen, wenn Sie nicht an Glaubwürdigkeit in der ganzen Welt verlieren wollen. Azad Othman, Exiliraker
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