: Eine (andere) amerikanische Meinung-betr.: Golfkrieg
betr.: Golfkrieg
George Bush hat das Ende des Golfkrieges am 27.2. als einen „Sieg für die ganze Menschheit, für die Herrschaft des Rechtes“ angekündigt. Es fällt dem ehemaligen CIA-Boss sicherlich nicht schwer, die Worte so auf den Kopf zu stellen, und vielleicht müssen wir uns auch daran gewöhnen, in dieser Welt des Großen Bruders, die er die „neue Weltordnung“ nennt. Hier bedeutet „Sieg“ mehr als 100.000 Tote, mehrere 100.000 Verwundete, eine Umweltkatastrophe und die weitgehende Zerstörung einer Zivilisation. Abermilliarden wurden für reine Zerstörungszwecke ausgegeben, worüber nur die Rüstungsindustrie sich freuen kann. Andere „Sieger“ gibt es auch, zum Beispiel die Ölindustrie, die mit dem Ölpreisspiel enorme Profite gemacht hat und die Firmen, die Verträge in Milliardenhöhe für den Wiederaufbau Kuwaits eingeheimst haben.
Für wen redet er denn, der Große Bruder? Für die Gestorbenen und Verstümmelten? Für die, die ihre Häuser und Familien und ihren Lebensunterhalt verloren haben? Für die Hunderte von Millionen von amerikanischen und europäischen Steuerzahlern, die diesen „Sieg“ finanziert haben? Hören wir nicht vielmehr in den Worten des Präsidenten die paar Tausende, aber dafür viel mächtigeren Stimmen der Großindustrie? Was für uns die „Kosten“ eines Krieges sind, sind immer die Profite der anderen. Der Vietnamkrieg hat 570 Millionen Dollar „gekostet“, aber in welchen Taschen sind diese Dollars letztendlich gelandet?
[...] Einen Sieg für die „Herrschaft des Rechts“ sollen wir von diesem Golfkrieg bekommen haben? Nein, das war ein Sieg für die Herrschaft der Gewalt. Die Politik hat wieder versagt, die Vernunft ist noch einmal von Wahnsinn und Geldgier überrollt worden.
Wir hatten, zum ersten Mal in der neueren Geschichte, eine hervorragende Chance, einen Konflikt ohne Gewalt zu lösen. Die Wirtschaftssanktionen haben gewirkt und hätten weiter gewirkt. Gerade in dem Moment entscheidet sich George Bush für Krieg und will uns das als „Herrschaft des Rechts“ verkaufen. Welches Recht? Die Ermächtigung des US-Kongresses am 12.Januar kam mehr als drei Monate nach der gesetzlichen Frist und war sowieso nicht im Sinne der Verfassung und des War Powers Act von 1973, wonach der Kongreß allein für die Entscheidung über Krieg oder Frieden verantwortlich ist. In diesem Fall hat die feige Mehrheit des Kongresses sich lediglich „entschieden“, die Entscheidung dem Präsidenten zu überlassen. (Der Deutsche Reichstag hat sich 1933 auf ähnliche Weise ausgeschaltet.) Eine verfassungsmäßige Kriegserklärung gegen Irak wäre wahrscheinlich nicht möglich gewesen, weil das die wahren Verhältnisse zu deutlich gemacht hätte, nämlich daß kein amerikanischer Soldat oder Bürger verpflichtet ist, Kuwait und Saudi Arabien zu verteidigen (genausowenig wie Südkorea, Südvietnam und so weiter).
Die Berechtigung für diesen Krieg kann man auch nicht in den UNO-Resolutionen finden. Der Sicherheitsrat, der bei weitem nicht die ganze UNO, sondern nur ein paar der mächtigsten Länder vertritt, hat den Krieg leider möglich, aber nicht notwendig gemacht. Es steht in keiner der UNO-Resolutionen, daß es Krieg geben sollte oder daß die USA diesen Krieg führen sollten. Diese Entscheidung traf George Bush und die „Alliierten“ liefen ihm wie treue Vassallen nach.
Die herrschenden deutschen Politiker sind von der Richtigkeit dieser Entscheidung so beeindruckt, daß sie ihre Verfassung ändern wollen, um das nächste Mal heftiger mitspielen zu können. Wenn die Herrschaft der Gewalt eben nicht mit dem Rechtssystem übereinstimmt, ändert man einfach das Rechtssystem! Mit dieser Verfassungsänderung ginge der wichtigste Beitrag der deutschen Nachkriegsgeschichte zugrunde. Was für eine Bestätigung für die Kriegstreiber in Washington!
Die Feiglinge und Drückeberger sind nicht „die Deutschen“. Die mutigsten und vernünftigsten Menschen, die ich kenne, sind in der deutschen Friedensbewegung. Die Feiglinge sind immer die, in Washington oder in Bonn, die am lautesten für einen „gerechten Krieg“ schreien, in dem sie selber nicht kämpfen müssen. Die Deutschen, die sich jetzt für den „Einsatz der Bundeswehr“ im Nicht-Verteidigungsfall stark machen, werden die Konsequenzen nicht selber ausbaden müssen. Das werden die Jugendlichen tun müssen, die jetzt noch nicht mal wählen dürfen.
Die historische Lüge der Zukunft steht schon: „Wenn wir damals Saddam Hussein nicht gestoppt hätten, hätte er demnächst eine Atombombe auf Tel Aviv geworfen.“ Vergessen wird, daß Sanktionen und Verhandlungen ihn auch gestoppt hätten, daß nichts an diesem Krieg beigetragen hat, die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen zu verhindern. Im Gegenteil: Die Lehre vom Krieg als „Lösung“, als „unvermeidbar“ wird an den verschiedenen Konfliktparteien auf der Welt nicht unbeachtet vorübergehen. Die „Lösung“ der nächsten Krise, vielleicht der allerletzten, durch Gewalt ist wahrscheinlicher geworden.
Diesen „Sieg“ darf man nicht feiern und bestimmt nicht mit einer Verfassungsänderung bestätigen! In Amerika wird die Verfassung einfach ignoriert, hier wird sie (vielleicht) geändert, aber beide Wege führen zum gleichen Ziel: Den Regierungen wird es leichter gemacht, uns in den Krieg zu stürzen. [...] Dr.Michael Morrissey, Kassel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen