: Die Treuhand weiß jetzt, was ihr alles gehört
■ Investoren können sich für 370 Mark ein Verzeichnis mit allen 6.607 noch zu privatisierenden Ostfirmen kaufen: „Alle Angaben ohne Gewähr“
Berlin (taz) — Die Treuhandanstalt sichert Arbeitsplätze — zumindest tief im Westen, bei einem Darmstädter Fachverlag für Finanz- und Börseninformationen. Dieser hat für die Anstalt ein Verzeichnis erstellt, in dem alle 6.607 noch zu privatisierenden Unternehmen Ostdeutschlands aufgeführt sind. „Die Bestandsaufnahme ist damit abgeschlossen“, verkündete gestern Treuhand-Vorstandsmitglied Birgit Breuel sichtlich stolz vor der Presse. Die größte Holding der Welt, die am 15. März 1990 von der letzten DDR- Regierung ins Leben gerufen wurde, weiß nun — 13 Monate später — also genau, daß sie für noch 2,7 Millionen Beschäftigte in den neuen Bundesländern zuständig ist.
Die Firmen sind in dem 610 Seiten dicken Branchentelefonbuch nach Orten und Firmennamen geordnet. Ein Namensregister vorne und ein Branchenregister hinten erleichtern die Suche. Neben Telefon-, Fax- und Telexnummern sind die Produkte, die Beschäftigtenzahl, die Namen der GeschäftsführerInnen und die zuständige Treuhandfiliale aufgelistet.
„In wenigen Wochen“, so ein Verlagsvertreter, sei der Wälzer für 370 Mark zu haben, dann wird er auch — anders als die 100 Vorabexemplare, die gestern an die Presse verteilt wurden, ein Organigramm der Treuhand mit Angabe der Zuständigkeiten enthalten. Eine Erleichterung sicher für all die Investitionswilligen, die derzeit noch am Empfang vor den drei sichtlich überforderten Angestellten Schlange stehen und auf Zuteilung eines Gesprächspartners warten.
Die gesamten Daten sind, für 700 Mark, auch auf Disketten zu kaufen. Diese werden, im Gegensatz zur Buchform des Verzeichnisses, regelmäßig aktualisiert und können dann nachgeordert werden. Sicher ein durchaus marktgerechtes Serviceangebot, weil „sich der Firmenbestand fast stündlich ändert“, so Birgit Breuel. Das Firmenverzeichnis mit Stand Ende März ist also teilweise überholt. „Alle Angaben, trotz sorgfältiger Arbeit, ohne Gewähr“, wappnet sich der Darmstädter Verlag sicherheitshalber gegen mögliche Kritik.
Das Branchenbuch ist laut Breuel ein Schritt hin zu mehr Service für InvestorInnen. So will die Treuhand „in Kürze“, so Breuel, ein Pivatisierungshandbuch herausgeben, in dem „die Grundsätze der Treuhand allgemeinverständlich dargestellt werden“. Die Verkaufsverhandlungen würden „vereinfacht“. Und die 520 Großbetriebe, in denen noch zwei Drittel der Beschäftigten auf Sicherheit für ihre Arbeitsplätze warten, sollen jetzt schnell entflochten werden. Diese „Ausgliederung auf Vorrat“ schaffe ein überschaubares Angebot mittelständischer Betriebe für potentielle InvestorInnen. „Je schneller Eigentümer gefunden werden, desto besser ist das für die Sicherheit von Arbeitsplätzen“, bekräftigte Breuel den Grundsatz Privatisierung vor Sanierung.
Außerdem wird künftig — zu Lasten der Treuhand — direkt beim Firmenverkauf festgelegt, wieviel an Kosten maximal auf die KäuferIn zukommen können. Die Nachbewertungsklausel aus dem Treuhandgesetz habe sich nämlich bei den Verhandlungen als Hemmnis erwiesen.
Nach Angaben von Breuel hat die Treuhand derzeit 2.000 Kaufangebote „in der Leitung“. Wie in Leipzig will die Anstalt auch ab Mittwoch auf der Hannover Messe mit ihrem Firmensortiment vertreten sein, um ausländische Unternehmen für den deutschen Osten zu gewinnen. „Schließlich soll das Ganze hier ja keine deutsch-deutsche Veranstaltung sein“, sagte Breuel. In den USA soll folgerichtig das ostdeutsche Branchenverzeichnis über Datenbanken abrufbar sein. Jedenfalls im Prinzip. Bei der Vorführung der transatlantischen Vernetzung vor über 100 in- und ausländischen JournalistInnen klappte es nicht, die Leitung zu aktivieren: Der Bildschirm blieb weiß. Donata Riedel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen