piwik no script img

Schikane gegen jüdische Flüchtlinge

■ Das Sozialamt Wedding weigert sich weiterhin, die sowjetische Juden aus Israel zu versorgen/ Die Flüchtlinge sollen nun nach Lichtenberg verlegt werden

Wedding. Die Berliner Behörden sehen sie als »israelische Touristen«, sie selbst empfinden das als Zynismus: die 269 sowjetischen Juden, die, nach Israel ausgewandert, während des Golfkrieges zum zweiten Mal flohen — und zwar mit Touristenvisa nach Berlin. Die sind abgelaufen, nach Israel wollen sie jedoch nicht zurück, auch aus Angst, als SiedlerInnen in den besetzten Gebieten in den nächsten Konflikt hineingezogen zu werden. Bis das Bundesinnenministerium in Bonn über ihr weiteres Schicksal entschieden hat, dürfen sie in Berlin bleiben. Die SozialstadträtInnen leisten unbürokratisch Hilfe — bis auf einen.

Der Weddinger Sozialstadtrat Hans Nisblé (SPD) weigert sich nach Angaben der Anwälte mehrerer sowjetischer Juden weiterhin, den 48 Männern, Frauen und Kindern, die in diesem Bezirk untergebracht sind, Sozialhilfeleistungen zu zahlen. Betroffen ist unter anderem der 12jährige Andrey J. Der Junge, Opfer der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, braucht dringend ärztliche Behandlung. Nach Angaben von Rechtsanwalt Claus Rosenkranz, wurde Andreys Mutter am Montag im Weddinger Sozialamt jedoch der Krankenschein verweigert.

Bei dem Versuch, die sowjetischen Juden in einem anderen Bezirk unterzubringen, ist die Sozialverwaltung nun ausgerechnet auf Lichtenberg verfallen. Der Bezirk gilt als eine Hochburg von Rechtsradikalen. Seit der Grenzöffnung ist es wiederholt zu Überfällen von Neonazis unter anderem auf vietnamesische und mosambikanische ArbeiterInnen und auf rumänische Flüchtlinge im Lichtenberger Bahnhof gekommen. Anwalt Rosenkranz: »Unsere MandantInnen werden sich in keinem Fall dorthin verlegen lassen.« anb

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen