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GASTKOMMENTARBeschleunigte Betonpisten

■ Sechs- und achtspurig: Verkehrsminister Krause auf der Überholspur

Seit über dreißig Jahren kämpfen Umweltschützer gegen eine verheerende Verkehrspolitik in den alten Bundesländern. Während das Netz der umweltfreundlichen Bahn mehr und mehr schrumpfte, wurden immer mehr Beton- und Asphaltwunden in unsere Landschaft geschlagen. Das „Aktionsprogramm Ökologie“, noch von der sozialliberalen Koalition in Auftrag gegeben und 1983 von Verkehrsminister Zimmermann (CSU) veröffentlicht, forderte eine Wende dieser Politik. Straßenneubauten sollten sich auf wenige Ortsumgehungen beschränken, nicht mehr benötigte Straßen gar abgerissen werden. Doch die Politiker kümmerte diese Expertenempfehlung nicht. Sie planten 1.800 km Autobahnen und 3.500 km Bundesstraßen. Die dringend benötigte Wende in der Verkehrspolitik blieb bislang aus.

Mit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten haben die Straßenbauer erneut Auftrieb bekommen. Das ist nicht verwunderlich, verstehen doch die Politiker den Verkehr, besonders den Autoverkehr, als den „Motor der Wirtschaft“. Doch immer stärker zeigen sich die Grenzen dieser Politik: Die Städte stehen vor dem Verkehrsinfarkt, in den Alpen tobt ein „Lkw-Krieg“, die Klimakatastrophe rückt näher, Tausende Menschen sterben auf den Straßen, Biotope werden zerstört — nicht einmal vor den neu geschaffenen Nationalparks in der Ex- DDR will man halt machen.

Das Verkehrschaos der alten Bundesländer wird umstandslos auf die neuen ausgedehnt. Dazu müssen dann eben ein paar demokratische Rechte hintangestellt werden. Mit einem „Beschleunigungsgesetz“ will man die Baumaßnahmen schneller durchziehen, damit westliche Firmen mit Großmaschinen im Osten die Landschaft asphaltieren können. Längst ist erwiesen, daß mit Straßenbau keine eigenständige Regionalentwicklung betrieben werden kann. Menschen, die vierzig Jahre lang unter einer Planungsdiktatur gelitten haben, werden sicher nicht begeistert sein, erste Erfahrungen mit einer Planungsdemokratie zu machen, die ihre Beteiligungsrechte schmälert. Auch der EG-Kommission werden noch die Augen übergehen, wenn sie zu lesen bekommt, daß Teile der Umweltverträglichkeitsprüfung, zwingend vorgeschrieben, plötzlich nicht mehr gelten sollen.

Was wir in ganz Deutschland brauchen, sind umwelt- und sozialverträglichere Verkehrsplanungen — nicht einen beschleunigten Straßenbau. Einem Verkehrsminister aber, der in seiner Antrittsrede vor dem Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages Fußgänger und Radfahrer nicht mit einem einzigen Wort erwähnt, ist eine Wende zum Besseren nicht zuzutrauen. Hubert Weinzierl

Der Autor ist Vorsitzender des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)

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