: Schreibenlernen ohne Füller
■ Bremer Modellversuch erprobt Computereinsatz im Deutschunterricht
Wer heute noch mit Füller schreibt, ist out. Am Alten Gymnasium zu Bremen wird seit März vergangenen Jahres der Deutschunterricht via Bildschirm vermittelt — wenigstens zum Teil. In einem Modellversuch sollen zweieinhalb Jahre lang die „Nutzungsmöglichkeiten von Computern zur sprachlichen, inhaltlichen und graphischen Gestaltung von Sprache“ erprobt werden, erklärte Bildungssenator Henning Scherf gestern vor Journalisten. Die Kosten von 600.000 Mark teilt sich Bremen mit dem Bund.
An insgesamt zwölf Computern der Sorte Apple-Macintosh sollen SchülerInnen der Jahrgangsstufen sieben bis zwölf lernen, eigene Texte druckgraphisch zu gestalten und dann zu veröffentlichen. Denn, so erläutert Dieter Hildebrandt, einer der beteiligten Lehrer, „bisher schrieben die Schüler ihre Texte und Aufsätze ja bloß für den Lehrer, ohne konkreten Verwendungszweck also. Das war auf Dauer natürlich ziemlich langweilig“. Die Arbeit am Computer soll den SchülerInnen die Möglichkeit geben, für eine Klassen-, Schul-, oder auch außerschulische Öffentlichkeit zu schreiben, und sie so zu neuen geistigen Höhenflügen animieren.
Verschiedene Wand- und Klassenzeitungen, Programmhefte für Konzert- oder Theaterabende und sogar eine Ausstellung für's Überseemuseum sind auf diese Weise schon entstanden. Im Moment ist im Leistungskurs der Jahgangsstufe elf eine Theaterkollage zum Thema Krieg in Arbeit — der Aufführungstermin steht noch aus.
Nach den ersten Probewochen mit Computer stellte sich heraus, daß solche Unterrichtsvorhaben nicht in Form des traditionellen Frontalunterrichts durchzuführen sind. Seitdem wird in Kleinguppen gearbeitet. „Das alles geht in Richtung eines offenen Unterrichts, und ich bin überrascht, was für Veränderungen im Verhalten der Klasse und was für gruppendynamische Prozesse da in Gang gekommen sind“, sagte Anna Lehmensiek, eine der am Modellversuch beteiligten Lehrerinnen.
Zum Teil übernehmen die SchülerInnen traditionelle Aufgaben der Lehrer, stehen sich in Stil-, Rechtschreibe- oder technischen Fragen gegenseitig zur Seite, anstatt die Lehrer zwischenzuschalten. Kooperation finde statt, Interessen würden geweckt, und auch die Lahmsten seien wieder motiviert — so schwärmen die Lehrer.
Und die SchülerInnen, für welche all dies ersonnen wurde? Die, versichert Mona aus Klasse elf, finden das „auch gar nicht so übel“. sum
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