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Keine verhängnisvolle Affäre

■ Paul Mazurskys neuer Film „Ein ganz normaler Hochzeitstag“

Paul Mazursky ist der beharrlichste Chronist der amerikanischen Mittelklasse. Seit den 60er Jahren begleitet er die self-conscious class auf ihrer mitunter pathetischen, mitunter tragikomischen Suche nach einer Authentizität des Gefühls — oder, im Zweifelsfalle, auch nur nach Halbwahrheiten. Wie kein zweiter hat er es dabei verstanden, zu zeigen, wie die Amerikaner Lebensstil mit dem Leben verwechseln. Von Anfang an bezogen seine Filme ihre Sensibilität und satirische Schärfe aus der Opposition zwischen den Kulturen der Ost- und Westküste. Seit einiger Zeit spielen sie nun hautpsächlich in Los Angeles; ihre Klinge ist seither stumpfer geworden, auch wenn ihr Humor bitterer scheint. Das gilt auch für seinen neuen Film, in dem er versucht, gleich zwei Zeitphänomenen beizukommen. Einerseits der Mode der Einkaufszentren in den traditionell zentrumlosen US-Städten. Schon die pure Existenz der shopping malls scheint Mazursky zu amüsieren, diese unglückliche Liaison zwischen Konsumterror und der architektonischen Utopie einer Begegnungsstätte. Gleichzeitig versucht er eine Bestandsaufnahme der Institution Ehe in den 90er Jahren. Dem hübschen, post-bergmanschen Originaltitel Scenes from a Mall gelingt diese Verknüpfung übrigens weit müheloser als dem Film selbst.

Deborah und Nick Fifer (Bette Midler und Woody Allen) sind das, was ihre — zumeist geschiedenen — Freunde für ein Traumpaar halten: Seit 17 Jahren verheiratet und überdies beide beruflich erfolgreich. Sie ist Psychologin (ihr Eheberatungsbestseller trägt den enthusiastischen Titel I do, I do, I do), und er vermittelt als Anwalt zwischen großen Sportfirmen und Sponsoren. Ihren 17. Hochzeitstag feiern sie zunächst wie gewöhnlich: Nach einem hastigen Bettintermezzo fahren sie zum Einkaufsbummel in die nahegelegene Mall. Die eheliche Idylle wird bedroht von Geständnissen, die sie sich zwischen Sushi-Kauf und Joghurt-Genuß machen — warum nicht Bilanz ziehen am Hochzeitstag? Mazursky und sein Co-Autor Roger L. Simon, der als Autor von Detektivromanen dem Zeitgeist nach 68 ebenso konsequent auf den Fersen ist wie der Regisseur, haben ihr Szenario als tour de force angelegt: Wie lange schaffen sie es, das Fifersche Ehedrama zu entfalten, ohne dabei die Mall zu verlassen? Die Dramaturgie dieses Schlagabtauschs bleibt leider allzu vorhersehbar: Er gesteht ihr, sie etwa dreimal betrogen zu haben, sie will ihn zum Teufel jagen (und dabei mit allen Grundsätzen ihres Buches brechen), und dann das gleiche Spiel mit vertauschten Rollen. Das Happy-End scheint für kurze Augenblicke vermeidlich, doch Cole Porters You do something to me, das sich als Leitmotiv durch den gesamten Film zieht, läßt schon früh keinen Zweifel daran, daß beide dem unerklärlichen Liebeszauber wieder erliegen werden.

Mazursky hat den Film auf seine Hauptdarsteller zugeschliffen. Die robuste Bette Midler spielt — die robuste Bette Midler. Woody Allens Image wird allerdings kräftig gegen den Strich gebürstet. Mazursky stattet ihn mit allen Westküsten-Attributen aus, über die sich Allen in seinen eigenen Filmen mokiert: Er trägt einen koketten Haarzopf, ist in grellbunte Trainingsanzüge gekleidet und läuft mit einem Surfbrett herum. Der Regisseur verläßt sich jedoch zu sehr darauf, daß diese Prämisse allein schon witzig genug ist. Allens Darstellerimage ist freilich längst nicht mehr so fest konturiert wie vor zehn Jahren — damals wäre der Auftritt mit dem Surfbrett ein garantierter Lacher gewesen.

Als Darsteller in einem Film, den er selbst nicht inszeniert hat, wirkt Allen ein wenig wie ein Fisch auf dem Trockenen. Die Neurosen und die Geschwätzigkeit sind allerdings geblieben, und ein hypochondrischer Allen-Gag — ein verfärbbares Kaugummi als Streßindikator — ist auch in einem Mazursky-Film gut aufgehoben. Ihn mit einer Psychologin zu verheiraten, ist schließlich eine Pointe, die zu setzen Allen selbst sich nie getraut hat. Gerhard Midding

Paul Mazursky: Ein ganz normaler Hochzeitstag , mit W. Allen und Bette Midler, USA 1990, 89 Min.

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