: Die rasenden Leichenbeschauer
■ Wer will schon »Vagtazo Halottkemek« heißen?
Kalter Kaffee aus Ungarn. Für Gruppen wie die Rasenden Leichenbeschauer oder Vagtazo Halottkemek, wie sie im Original heißen, ist die Welt wohl zuende. Zuende oder LSD und Speed sind vorhanden. Denn ihr Ego ist nur zwölf Meter groß und das ist gar nichts, um England oder Amerika zu beeindrucken. »Schamanen und Wölfe« haben dort mindestens 450 Meter, das erreichen die nie.
Die sogenannten »neuen Einstürzenden Neubauten« haben vergessen, hinter nervösem Krach, blasiertem Genörgele und dem Exotenbonus ein bißchen auf Stil zu achten. Es reicht eben nicht, aus Ungarn zu kommen, Laibach mit Punk und Birthday Party zu mischen. Schlechte Musik kann jeder machen. Stil aber ist kostbar. Und vor allem nicht durch apokalyptische Orgienmusik zu ersetzen. Nennt mich reaktionär, so wie ihr's gelernt habt. Aber verkauft keinen Schund für Stil. Den hatten nämlich bis zu einem gewissen Grad die Neubauten. Auch ohne Speed und LSD waren die zumindest eine halbe Stunde zu ertragen.
»Traumerfüllung und körperliche Hingabe aufgrund der Verzauberung durch Natur« heißt es im Info der Leichenbeschauer. Tapetenkleister unter Knäckebrot wäre wohl eine ehrlichere Definition.
Nun gut, »Kult« ist angesagt, Spielverderber sollen sich wohl in der Nase popeln. Was aber hat Kult mit Tanzen zu tun, wie es hier behauptet wird, ist etwa sowas wie Rave gemeint? Rave, so roh und umwerfend, wie ihn nur Bands aus dem geschundenen Osten fertig bringen? Etwa »the real rave«? Ist Acid angesagt? Soll das Publikum Drogen nehmen und sich im Krach winden? Mad Cow Desease — Veitstanz aus Ungarn. »Brutal-urtümliches Getrommel«, »wilde Raserei«, »kreischende Kopfstimme« und vom »Unterbewußtseinslabyrinth« wird hier gesprochen. Sollte man einen esoterischen Schnellkurs machen, zur VHS rennen und um schnellste Aufnahme betteln, bevor im Lindenpark die Lichter ausgehen und der Himmel brennt vom »schizophrenen Moment innerer Triebe und Wünsche, der aus ihren Körpern herausbirst!« Nicht etwa, um mich staunend im Regen stehen zu lassen, mit offenem Kiefer, nein, um im »klar sichtbaren universellen Raum zu erblassen«.
Therapie muß nicht teuer sein, die Kassen zahlen bei Bedarf, ob Gruppe oder individuell, Psychotherapeuten sind auch nur arme Arbeitslose, wenn keine Kranken kommen. Lasst den Therapiezweig nicht verkümmern! Zahlt keinen Eintritt! Geht nicht über Los! Geht nicht ins Gefängnis! Wir wissen nicht, was uns der freundliche Nachbar empfiehlt, wir aber empfehlen Togal — gegen jeden Schmerz. Schnell und sicher, klarer Kopf — klare Sache. Ein schaurig schönes Inferno. Peter K.
Am Freitag um 21 Uhr im Jugendclubhaus Lindenpark und am 17.4. im Loft
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