Treuhänder unter Betrugsverdacht

■ Hochrangiger Kripo-Beamter beschuldigt Treuhand-Mitarbeiter: Schieber vernichteten Tausende von Arbeitsplätzen/ 500 Millionen Schaden?/ Treuhand bestätigt die Suspendierung von Mitarbeitern

Berlin (taz/dpa) — „Die Treuhand muß weiter um ihren Ruf kämpfen.“ Mit dieser leicht resignierten Äußerung reagierte Treuhand-Sprecher Wolf Schöde auf die spektakuläre Erklärung eines hohen Berliner Polizeibeamten, Mitarbeiter der Anstalt seien an Betrugsmanövern im Zusammenhang mit der Privatisierung ehemals volkseigener Betriebe beteiligt. Die Berliner Justizsprecherin Jutta Burghart bestätigte inzwischen die Vorwürfe, die auch Schöde auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz nicht entkräften konnte.

Vielmehr gab der Treuhand-Sprecher zu, mehrere Mitarbeiter seien unter Betrugsverdacht vom Dienst suspendiert worden. Es handele sich dabei jedoch weder um leitende Mitarbeiter noch um neue, spektakuläre Fälle, sondern — „wie das so ist im Leben“ — um Vorgänge aus den Monaten August bis Dezember 90. Zum Ausmaß des entstandenen Schadens wollte sich Schöde mit Rücksicht auf die schwebenden Verfahren nicht äußern. Es handele sich um „viele kleinere Fälle“. Die Zahl der suspendierten Mitarbeiter gab er mit „vier bis fünf“ an, wobei Schöde anklingen ließ, daß im Interesse der Ermittlungen nicht alle Verdächtigen von ihren Funktionen entbunden worden seien.

Der Leiter der Berliner Kripo- Dienststelle für organisierte Wirtschaftskriminalität, Uwe Schmidt, hatte in einem Interview erklärt, zahlreiche Betriebe in der Ex-DDR seien durch Machenschaften von Treuhand-Mitarbeitern vorzeitig „ausgeschlachtet“ worden, obwohl sie noch zu retten gewesen wären. Durch die Verschiebung attraktiver Grundstücke und Sachwerte durch Treuhand-Mitarbeiter hätten Tausende von Beschäftigten ihre Arbeitsplätze verloren. Schmidt bezifferte den entstandenen Schaden auf 500 Millionen Mark.

Schmidt sprach von „Seilschaften“ zwischen den Geschäftsführern ehemals volkseigener Betriebe und Mitarbeitern der Treuhand, deren Aufgabe es ist, die circa 8.000 verbliebenen Staatsbetriebe zu privatisieren.

Der baden-württembergische Staatsanwalt für Wirtschaftskriminalität, Hans Richter, der in der Treuhand die Abteilung „besondere Aufgaben“ leitet, erklärte zu den Vorwürfen Schmidts, er habe keinerlei Hinweise, daß durch hausinterne Machenschaften Arbeitsplätze vernichtet worden seien. Allerdings könne er dies auch nicht generell ausschließen.

Treuhand-Sprecher Schöde äußerte sich „bestürzt“ über die Aussagen des Berliner Kripo-Mannes, der damit in ein schwebendes Verfahren eingreife, und sprach von gezielten Versuchen, die Treuhand zu destabilisieren. Die Vermutung, in der Anstalt seien weiter „Seilschaften“ am Werk, nannte er Blödsinn. Im übrigen seien nach dem Bekanntwerden von Unregelmäßigkeiten im Vorjahr, alle erforderlichen Maßnahmen getroffen worden, um weitere Betrügereien in Zukunft auszuschließen. Auf die Frage, ob damit ähnliche Fälle in Zukunft ausgeschlossen werden könnten, blieb Schöde allerdings realistisch: „Nein, im Gegenteil.“ Die Verführung sei möglicherweise doch größer.

Wie groß die Verführung ist, vom Einheitschaos zu profitieren, erläuterte unterdessen die Berliner Justizsprecherin: Bei 84 Fällen von Wirtschaftskriminalität, die allerdings nur zu einem geringeren Teil die Treuhandanstalt betreffen, sei möglicherweise ein Gesamtschaden von 3.867 Millionen Mark entstanden. eis