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Kinderarbeit

■ Wilfries Seebas Indonesienbilder im Überseemuseum und in der Sparkasse am Brill

Welch unerträglicher Konfikt: Als Kunsthistoriker alles schon zu wissen, jede Pinselbewegung zu kennen und jede Gestik einordnen zu können, und dann als Künstler selbst tätig werden zu wollen. Mit dem ständigen Blick über die eigene Schulter. Was bleibt da außer Drogen? Wilfried Seeba hat nach einigen Umwegen über naturalistische und informelle Versuche auf ein unschuldiges, nicht kritisierbares Gebiet der Kunst zurückgegriffen: die Kindermalerei. Was dort naiv und unreflektiert passiert, entzieht sich den Kategorien der Wissenschaft und verspricht Zugewinn an Authentizität.

Zugleich im Überseemuseum und in der Sparkasse am Brill überschüttet uns dieser Tage Wilfried Seeba mit seinen zahllosen Öl-/Acrylgemälden, die er z.T aus Fernost (Indonesien, Thailand) mitgebracht, meist aber hier gemalt hat. Drei Monate war er dort und besuchte in der Zeit ein Kinderdorf am Kwai River, eine Kindertagesstätte unter den Brücken von Bangkok und verschieden Schulen. Er veranlaßte Kinder, zu malen und zu zeichnen, und brachte eine Beute von 100 Kinderbildern mit. Sie diente ihm als steter Born für formale und inhaltliche Anregungen.

Dabei ist das Überseemuseum der richtige Ort für diese Kunst. Sie reduziert gesehene Objekte, Mönche, Boote, Tempel, Köpfe, Tiere, Landschaften auf archaische Grundmuster, Zeichen, bleibt aber immer erzählend: von gefundenen Idyllen und von im Ost-West-Kontakt irritierten Situationen, von einfachen Gegebenheiten wie Hahnenkämpfen oder Steineschleppen wie von heeren, tiefen oder transzendenten Erfahrungen. Farblich bleibt Seeba erdennah, gern klebt er innerhalb von Materialcollagen Originalgestein, Pappe oder chipbestückte Platinen ins Bild. Ein erweitertes Fotoalbum.

Die Suche nach gültigen Zeichen aus unschuldigen Paradiesen ist nicht neu: Gaugin wilderte in der Südsee, Kirchner im Völkerkunde-Museum (wie Seeba bei älteren Arbeiten im Überseemuseum sich anregen ließ), bei den Höhlenzeichnungen unserer Vorväter bedienten sich Künstler ebenso hemmungslos wie andere (Giganten) bei afrikanischer Schnitzkunst. Ob die Reinheit die Adaption überlebt, kann bezweifelt werden.

Seebas Bildern liegen gern stark fluchtende Muster zugrunde, Tempelanlagen, Reisfelder. Darin werden die entkernten Figuren implantiert, so daß der Eindruck von Naivität erhalten bleibt. Einzelne, kleinere Arbeiten, das ist wahr, finden in der Reduktion Gültigkeit: die Bilder zum Hahnenkampf beispielsweise. Doch im Ganzen wird man von Redseligkeit erschlagen. Wie in einer gutgemeinten Ausstellung zum 3.Welt-Hunger mit zuviel Begleittext.

Wilfrie Seeba (Jg.'53) stammt aus Emden, war Lehrbeauftragter an der Hochschule für Künste Bremen (Kunstgeschichte) und der Uni Oldenburg (Malerei). Seit '87 arbeitet er kunsthistorisch für die Radziwill-Gesellschaft in Dangast. Der aufwendig gemachte, zweisprachige Katalog (120 Seiten, Hauptsponsor Sparkasse) wurde dadurch realisiert, daß in Fernost gedruckt wurde. Dafür geht die Hälfte des Verkaufserlöses (Preis 30 DM) an die Foundation for Children in Bangkok.

Burkhard Straßmann

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