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Ich kaufe, also bin ich

■ Jeder zehnte Wessi ist kaufsuchtgefährdet/ Kaufsucht hat ähnliche Erscheinungsformen wie andere Süchte: Innere Befriedigung oder Entzugserscheinungen bei erzwungenem Konsumverzicht

Berlin. Wer wieder einmal einen »unwiderstehlichen inneren Drang« verspürt, etwas Sinnloses zu kaufen, sollte prüfen, ob er oder sie nicht vielleicht kaufsüchtig ist. Jeder zehnte Einwohner in den westlichen Bundesländern ist deutlich oder sehr stark kaufsuchtgefährdet. Zu diesem Ergebnis kommt die erste bundesdeutsche Kaufsuchtstudie, die die Stiftung Verbraucherinstitut gestern anläßlich eines zweitägigen Kaufsucht-Seminars vorstellte.

Kaufsucht hat ähnliche Erscheinungsformen, wie andere Süchte auch: innere Befriedigung beim Kaufen, immer größere Steigerung des Konsums, Entzugserscheinungen, wenn nichts gekauft wird oder mangels Geld auch nichts erstanden werden kann.

Dabei sei es, wie Professor Gerhard Scherhorn von der Universität Hohenheim ausführte, nicht so wichtig, was gekauft wird: Klamotten, Handwerkszeug oder auch — wie in einem Fall — mehrere tausend Kochtöpfe. Von den SammlerInnen unterscheiden sich die Kaufsüchtigen, indem sie die Sachen nach dem Kaufen wieder langweilig finden.

Als Ursache für die Kaufsucht gilt bei den PsychologInnen der Versuch, mangelndes Selbstwertgefühl zu kompensieren. Die alltägliche Reklame sowie Gesellschaftsnormen fördern die Sucht. Häufig sind Kaufsüchtige auch alkoholabhängig oder nehmen andere Drogen.

Problematisch ist die genaue Abgrenzung zwischen Kaufsucht und normalen Kaufbedürfnissen — daher arbeiten die StatistikerInnen hier auch lieber mit Zahlen über potentiell Kaufsüchtige und nicht mit Zahlen über tatsächlich Abhängige.

Besonders anfällige Gruppen gibt es nicht: Bei verschiedenen Einkommensgruppen wurden keine unterschiedlichen Häufungen gefunden. Bei TherapeutInnen lassen sich allerdings wesentlich mehr Frauen als Männer von ihrer Kaufsucht kurieren. Dem männlichen Geschlecht, so hieß es auf der Pressekonferenz, fehle zu häufig die »Sensibilität« für das Problem.

Anlaufstelle für Kaufsüchtige sind in Berlin die üblichen Suchtberatungsstellen, PsychologInnen oder auch Selbsthilfegruppen.

Über die fünf neuen Bundesländer liegen noch keine Analysen vor. Allerdings vermuten die ExpertInnen hier bisher eine wesentlich geringere Kaufsucht-Gefahr: Kaufsucht ist nur in Ländern verbreitet, wo die Marktwirtschaft funktioniert. In fünf bis zehn Jahren allerdings dürften auch die deutschen Süchte vereinigt sein, meint der Psychoanalytiker Rainer Funk. Rochus Görgen

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