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Nicaraguas Kniefall vor den USA

Chamorro verzichtet auf die US-Reparationen, die ihr laut Internationalem Gerichtshof aufgrund der CIA-Hafenverminungen von 1984 zustehen/ Damit soll der Segen des IWF erkauft werden  ■ Aus Managua Ralf Leonhard

Nicaraguas Ministerpräsidentin Violeta Chamorro will auf Ansprüche gegen die USA, die aus der Verurteilung Washingtons durch den Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag resultieren, verzichten. Unter dem Druck der US-Regierung hat sie dem Parlament einen Antrag auf Aufhebung des „Gesetzes Nr. 92“ vorgelegt. Dieses Hindernis für einen Kniefall vor den USA, knapp vor der Machtübergabe der Sandinisten vor einem Jahr vom Parlament verabschiedet, erklärt die Ansprüche zum unverzichtbaren Eigentum der Nation.

Es sei höchste Zeit, die Beziehungen zu den USA zu normalisieren, erklärte Parlamentspräsident Alfredo Cesar, als er am Dienstag mit der Gesetzesinitiative der Präsidentin in der Nationalversammlung erschien. Außerdem habe Nicaragua laut dem Spruch des Haager Gerichtshofes keinen Anspruch auf eine bestimmte Summe. Die beiden Streitparteien würden vielmehr aufgefordert, sich außergerichtlich zu einigen. Um eine solche Einigung bemühe man sich.

Nachdem CIA-Agenten Nicaraguas Häfen vermint hatten, hatte die sandinistische Regierung im Juni 1984 eine Klage gegen die USA vor dem Internationalen Gerichtshof eingebracht. Zwei Jahre später endete das Verfahren mit einem klaren Schuldspruch gegen die USA. Nicaragua reklamierte daraufhin direkte und indirekte Kriegsschäden von 17 Milliarden US-Dollar. Eine Entschädigungssumme wurde allerdings nicht festgesetzt. Vielmehr fordert der IGH beide Seiten zu einer gütlichen Einigung auf. Da die Regierung Reagan jedoch weder das Verfahren noch das Urteil anerkannte, gab es keine solchen Bemühungen.

„Mit 17 Milliarden können die Entwicklungsprobleme dieses Landes gelöst werden“, mahnte Ex-Präsident Daniel Ortega vor wenigen Tagen. Violeta Chamorro sei im Begriff, die Souveränität der Nation für ein Linsengericht zu verkaufen, wetterte ein Parlamentarier. Wenn es rechtens ist, vom Irak Entschädigung für die Verheerungen in Kuwait zu fordern, so die sandinistische Presse, warum sollte es nicht rechtens sein, die USA für die von ihren Contras angerichteten Zerstörungen verantwortlich zu machen?

Das Thema erhitzt die Gemüter seit Präsidialminister Antonio Lacayo Ende März aus Washington zurückkam, wo er wegen des Haager Spruches schwer unter Druck gesetzt wurde. Den Segen des IWF, ohne den das jüngste Wirtschaftsprogramm zum Scheitern verurteilt ist, hätte Lacayo nach Meinung von regierungsnahen Quellen ohne den Reparationsverzicht auf keinen Fall bekommen. Angesichts der trostlosen Alternativen versucht Violeta Chamorro, ihren Freund Bush milde zu stimmen. Wenn sie am Montag zum Staatsbesuch in Washington erscheint, will sie zumindest guten Willen nachweisen können.

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