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Koalitionskrise wegen NOR

■ FDP in Mecklenburg-Vorpommern ist mit Plänen für Nordostdeutschen Rundfunk nicht einverstanden/ „Selbstherrliches Vorgehen“

Schwerin/Berlin. Wegen der Vorentscheidung für die Bildung des Nordostdeutschen Rundfunks (NOR) bahnt sich in Mecklenburg- Vorpommern ein Krach zwischen den Koalitionspartnern CDU und FDP an. In einer Stellungnahme der mecklenburgischen FDP heißt es dazu: „Hier ist eine voreilige Entscheidung getroffen worden, die nicht mit der Koalition ausgehandelt war.“ FDP-Fraktionschef Walter Goldbeck sprach von einer „selbstherrlichen Vorgehensweise der Staatskanzlisten“, die die Wünsche der Menschen in Mecklenburg-Vorpommern ignoriere.

Die FDP hatte sich in der Vergangenheit mehrfach für den Beitritt Mecklenburg-Vorpommerns zum NDR-Staatsvertrag ausgesprochen. Daß sich das nördlichste der neuen Bundesländer nun von seinen norddeutschen Nachbarstaaten und dem NDR abwendet, werten die Liberalen als „künstliche Entscheidung“. Goldbeck kündigte an, seine Partei werde sich gegen den Beschluß wenden. Ein derartiger Umgang mit dem Koalitionspartner könne nicht geduldet werden. Auch die mecklenburgische SPD-Fraktion übte heftige Kritik an der Entscheidung der Staatskanzleien. Der medienpolitische Sprecher der Fraktion, Siegfried Friese, sagte, seine Partei sei nach wie vor für ein Zusammengehen mit dem NDR. Gegen die Pläne eines Nordostdeutschen Rundfunks werde die SPD „energisch vorgehen“. Als Begründung führte Friese an, aus der Vereinbarung gehe „eindeutig“ hervor, daß „unser Land von Berlin aus rundfunkpolitisch regiert wird“.

Die SPD wolle, daß in Mecklenburg-Vorpommern von „unseren Leuten für unsere Leute“ Rundfunk gemacht werde. Die SPD-Fraktion kündigte an, gegebenenfalls durch eine Gesetzesinitiative mit den Vertragsstaaten des NDR dem Landtag ein besseres Angebot vorzulegen. Dem Grundsatzbeschluß zur Bildung eines Nordostdeutschen Rundfunks müssen nun die Landesregierungen und Parlamente zustimmen.

Auch in Brandenburg war der Widerstand gegenüber einer gemeinsamen Rundfunkanstalt zunächst groß gewesen. Noch Anfang vergangener Woche hatte der SPD-Fraktionschef, Wolfgang Birthler, in Potsdam angekündigt, die Staatskanzlei mit einem solchen Entwurf wieder nach Hause zu schicken. Den Gesinnungswandel seiner Partei erklärte er in einem Gespräch mit der taz damit, daß es sich bei den aktuellen Plänen erst um einen Entwurf handele, über den noch nicht entschieden worden sei. Für die weiteren Verhandlungen hat seine Fraktion bereits Forderungen aufgestellt. Zum Beispiel ist die SPD nicht damit einverstanden, daß nach Potsdam nur die Fernsehdirektion kommt. „Damit können wir nichts anfangen, sondern wir wollen Produktion hier haben“, sagte Birthler. Ein weiteres Problem sei, daß alle SFB-MitarbeiterInnen übernommen, die Ost-JournalistInnen jedoch abgewickelt würden. Mit dem ausgehandelten Personalschlüssel könne die SPD zwar leben, „aber wir wollen ein Mitspracherecht bei Personalentscheidungen“. Außerdem müsse der SFB schuldenfrei in die neue Anstalt aufgehen, forderte der SPD-Fraktionschef.

Empört über die Pläne für einen NOR ist auch der Direktor des Berliner Rundfunks, Jürgen Itzfeldt: „Es kann ja wohl nicht sein, daß die zusätzlichen Gebühreneinnahmen aus dem Ostteil dazu verwendet werden, die Arbeitsplätze im Westen zu erhalten“, kritisierte er gegenüber dem 'ND‘. Jürgen Itzfeldt erinnerte auch an eine erst kürzlich veröffentlichte ARD-Umfrage, nach der die Einschaltquoten von SFB 1, 2 und 3 noch hinter denen des Berliner Rundfunks liegen. „Ein Beleg dafür, daß der SFB nicht an die hiesigen Hörer herankommt.“ Wie es danach zu rechtfertigen sei, daß der SFB in seinem jetzigen Bestand komplett erhalten werden soll, während die Interessen eines Drittels von Berlin außer acht gelassen werden, bleibe das Geheimnis der Staatskanzleichefs, so Itzfeldt. Im Einigungsvertrag aber sei die Verpflichtung festgeschrieben, daß Funk und Fernsehen der DDR in föderale Strukturen überführt werden müßten. „Das gilt für Programme und Personal. Aus dieser Verantwortung darf sich niemand stehlen.“

Noch keine Entscheidung zum künftigen Rundfunk hat die Fraktion Linke Liste/PDS getroffen. Für den jetzt vorliegenden NOR-Plan ist nach Aussagen eines Medienexperten mit keiner Mehrheit im Parlament zu rechnen. dpa/taz

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