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„Ich mache alles richtig“

■ Anja Fichtel, die weltbeste Florettfecherin, blieb auch im Masters-Turnier in Bochum konkurrenzlos

Bochum (taz) — Mit der Erfindung des Schießpulvers wurden im ausgehenden Mittelalter viele Rittersleute arbeitslos. Ihre Kriegskünste mit Degen oder Säbel waren bei den Herrschenden nicht mehr gefragt. Dennoch, so ganz sang- und klanglos wollte der Adel nun auch wieder nicht die alten Waffen in den Schränken verstauben lassen. Als Standeswaffe von Studenten und Blaublütigen entwickelte sich der Degen schnell zu einem beliebten Instrument des Duellsports.

Wenig Adel, aber immerhin sechs Studentinnen waren unter den acht weltbesten Frauen, die sich am Samstag zu einer sportlichen Auseinandersetzung mit der Florettwaffe trafen. Ort der vielen Hiebe und Stiche (natürlich Masters genannt) war das Stadtparkrestaurant in Bochum. Wild wie im Mittelalter ging es in der gehobenen Wirtschaft aber nicht zu. Dafür sorgte schon der Einzug des High-Tech rund um die Waffe. Denn bevor zum Florett gegriffen wurde, mußten die Frauen an so allerlei Elektrik angeschlossen werden. Schließlich sollte jeder Treffer, den Frau an den Körper ihrer Widersacherin ansetzt, auch publikumswirksam helleuchtend angezeigt werden.

Die Rüstung der Florettdamen besteht hauptsächlich aus einer Trefferweste, die mit einer Kabelleine an die Außenwelt angeschlossen ist. In derartige Montur gezwängt, sehen die Sportlerinnen alle gleich aus. Deshalb führte der Veranstalter noch schnell Socken ein, auf denen die Namen der Florettkünstlerinnen zu lesen waren. Ziel der Angriffe aber ist ausschließlich der Rumpf des Körpers. Trifft die Spitze der Waffe auf die Weste, erschallt augenblicklich ein lautes Signal.

Der Auslöser für solche Knalleffekte befindet sich an der Spitze der Waffe und heißt Klingelknopf. Oft pieksten sich die Sportlerinnen in den Kampfpausen ohne bösen Willen gegenseitig auf den Leib. Sie wollten mit den kleinen Sticheleien überprüfen, ob die Elektronik auch richtig angeschlossen ist. Nicht selten aber drücken sie ihre Mißbilligung gegen die technischen Seilschaften mit einem einfachen menschlichen Schrei aus. Es nutzte aber nichts. Denn „ob du recht hast oder nicht, sagt dir nur das Licht“, so der Kommentar des österreichischen Moderators.

Am öftesten hatte Anja Fichtel recht. Die derzeit beste Florettfechterin der Welt beherrschte die Konkurrenz mühelos, erheischte die Siegerprämie von 30.000 Mark und äußerte nach ihrem Finalsieg über Giovanna Trillini (Italien) bescheiden: „Ich mache alles richtig.“ Tatsächlich hat sie ihre Waffe gemäß der alten Fechtweisheit im Griff: „Halte das Florett wie einen Vogel in der Hand. Wenn du zu feste drückst, stirbt der Vogel in der Hand. Wenn du ihn zu locker umgreifst, fliegt er davon.“ Torsten Haselbauer

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