: Hilfe — nicht nur für Eltern
■ Erfolgreiche Arbeit des Bremer Eltern-Streß-Telefons
Seit September letzten Jahres ist das Eltern-Streß-Telefon (EST) im Bremer Kinderschutz-Zentrum wieder mit ehrenamtlichen Kräften besetzt. Seitdem sind unter 70 00 37 speziell ausgebildete MitarbeiterInnen zu erreichen, die sich der Sorgen von Eltern und Kindern annehmen, die meinen, die Probleme würden ihnen über den Kopf wachsen. Angerufen werden kann von montags bis donnerstags in der Zeit von 17.00 bis 20.00 Uhr — also dann, wenn in vielen Familien die kritische Phase angesagt ist. Erste Bilanz des Kinderschutz-Zentrums: Es rufen sehr viel mehr Frauen als Männer an; familiäre Probleme stehen eindeutig im Vordergrund.
Das Kinderschutz-Zentrum im Bremer Steintor arbeitet schon seit 10 Jahren auf dem Gebiet der Gewalt gegen Kinder. Seine Erfahrung: Die weitaus meisten Gewaltakte gegen Kinder werden in den eigenen vier Wänden verübt; „die Familie ist der Hort der Gewalt“ (so Professor Bärsch, Vorsitzender des Deutschen Kinderschutzbundes). Da sich aber die Mitarbeiter dem Prinzip „Hilfe statt Gewalt“ verpflichtet fühlen, lehnen sie das simple Opfer-Täter- Schema ab. Krisen und Gewalt in der Familie sind Dinge, unter denen — zwar sehr unterschiedlich — alle Angehörigen zu leiden haben. Besondere Bedeutung hat deshalb die Prävention, also die Möglichkeit, ein Gesprächsangebot wahrzunehmen, bevor die Hand ausgerutscht ist. Insofern ist das Kinderschutz-Zentrum auch außerhalb der regulären Dienstzeiten zu erreichen — beispielsweise über das Eltern-Streß-Telefon in den Abendstunden.
Trotz langjähriger erfolgreicher Arbeit konnte sich das Bremer Zentrum noch nie über größere staatliche Zuwendungen erfreuen. Fast alle hauptamtlichen Kräfte sind über ABM-und andere Zeitverträge beschäftigt. Ständig droht die Gefahr, daß aufgrund der angespannten Personalsituation Hilfs-und Therapieangebote eingeschränkt werden müssen. Was war also näherliegend, als aus der Not eine Tugend zu machen: das EST mit ehrenamtlichen, aber speziell ausgebildeten Kräften zu besetzen. Auf eine kleine Zeitungsnotiz im Dezember 89 meldeten sich fast zu viele InteressentInnen. Zusammengestellt wurde eine fünfzehnköpfige Gruppe, die dank ähnlicher Berufe und Erfahrungen (in der Mehrzahl PädagogInnen, PsychologInnen, StudentInnen) ziemlich homogen war.
In einem sechsmonatigen Kurs vermittelten die Hauptamtlichen die Grundsätze der Kinderschutzarbeit in unabhängigen Zentren, übten Gesprächstechniken ein und zeigten auf, welche Problemlösungsstrategien während eines Telefonats möglich sind. Eine Zusatzausbildung, die sich nach Meinung einer Teilnehmerin, einer Lehrerin mit langjähriger Berufspraxis, „voll gelohnt hat“. Ihre Erfahrungen mit dem ersten halben Jahr EST: „Viele Probleme kommen einem erst mal sehr bekannt vor. Eine Mutter, die vor kurzem anrief, meinte, ihr Kind entwickle sich zu einem kleinen Monster. Ich merkte, daß sie kurz vor dem Zusammenbrechen stand. Behutsames Nachfragen ergab, daß sie vor allem unter der Trennung von ihrem Partner litt. Nicht das Verhalten ihres Kindes, sondern das Gefühl des Verlassenseins war ihr Problem.“
Das Eltern-Streß-Telefon (EST) ist von montags bis donnerstags im Kinderschutz-Zentrum Bremen in der Zeit von 17 — 20 Uhr unter der Telefonnummer 70 00 37 zu erreichen.
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