: Keine Kunst mit Sicherheitsgurten
■ taz-Interview mit Gottfried Helnwein, aktionistischer Maler, zur Zeit Bremen, über Kunst, Religion und Ausschluß
Nach tagelangem Gezerre zwischen Studenten der Hochschule für Künste, dem AStA und Rektor Jürgen Waller durfte der österreichische, jetzt bei Koblenz in seiner Burg lebende Maler, Fotorealist, Bühnenbildner und Aktionist Gottfried Helnwein trotz seiner Mitgliedschaft in der Scientology-Church gestern seinen Workshop in der HfK beginnen. Die taz sprach mit dem jählings Umstrittenen.
taz: Kann Kunst doppelzüngig sein?
Ich glaub', daß Kunst alles sein kann. Kunst kann einfältig sein, dumm, faszinierend, doppelzüngig, es ist alles möglich. Wichtig ist, daß Kunst intensiv und stark ist und imstand, was zu bewegen, Leute zu berühren. Ich bin grundsätzlich gegen jede Art von Verurteilung, Einschränkung, Zensur in bezug auf Kunst. Und deswegen find' ich's grundsätzlich schlimm, daß Teile einer Hochschule versuchen, Kunst auszuschließen. Das kennen wir aus der Vergangenheit, wo man die rassische, religiöse oder weltanschauliche Seite von Leuten verwendet hat, um deren Kunst zu diffamieren und kaputtzumachen. Da müßt' ich die 200-Jahr-Feiern von Mozart abblasen, weil er bei den Freimaurern war. Ich müßte Alfred Hrdlicka ausschließen, der sich offen zum Stalinismus bekennt.
Der Scientology-Church wird vorgeworfen, daß sie ihre Fänge bzw. Fänger so geschickt ausstreckt, daß man sozusagen unbemerkt unterwandert wird.
Das ist etwas, was in der Presse steht.
Sie stehen nun aber in Zusammenhang mit der Scientology- Church.
Ja, das betrifft, was ich privat mache. Ich hab' privat ein paar Bücher gelesen und ein paar Kurse gemacht, weil die mich privat interessieren. Ich hab' auch einen Yogakurs gemacht und verschiedene andere Sachen. Ich hab' das aber nie jemand empfohlen, ich hab' acht Mitarbeiter, kein einziger weiß was davon. Auf keiner öffentlichen Veranstaltung hab' ich jemals davon gesprochen.
Sie tauchen auf einem Werbe- Faltblatt für die Sekte auf.
Die waren nicht autorisiert, das zu verwenden. Ich bin dagegen, zu missionieren, das ist ein Prinzip, das mir nicht gefällt, das hat mir schon bei der katholischen Kirche nicht gefallen. Und das bekämpf' ich, seit ich katholisch erzogen worden bin. Was Indoktrination ist, das weiß man, wenn man Jesuitenschüler ist, wenn man sieht, wie Leute schon mit zehn Jahren zu Priesterseminaren getrimmt werden, wie sie ihre Grundrechte freiwillig aufgeben.
Sie sind jedenfalls reguläres Mitglied der Sekte?
Mitglied der Sekte ist jeder, der einen Kurs macht, sei der Kurs auch noch so klein.
Sie haben mißhandelte Kinder gemalt; der Schrei ist quasi Ihr Markenzeichen. Sie haben in Kresniks „Macbeth“ Barschel-Badewannen auf die Bühne gestellt — kann ästhetisch dargestellte Gewalt verführen?
Ich setz' mich mit meiner Arbeit immer ein für Inhalte, an die ich glaube. Und Kunst muß immer subjektiv sein. Immer. Selbstverständlich kann sich ein Künstler irren. Da hat er ein Recht zu. Sonst kann ich nicht Kunst machen, mit Sicherheitsgurten. Kunst soll revolutionär sein, aufstacheln, und keine Dekoration. Was ich zeigen will, ist: wie Menschen vergewaltigt, unterdrückt werden, daß denen Leid, Angst, Schmerz angetan wird. Meine Zentralfigur ist immer das Kind, weil der Zustand, daß man überall Kinder mißhandelt, das ist für mich einfach unvorstellbar.
Sie werden von einigen Studenten als öffentliche Bedrohung empfunden, als jemand, der aus ihnen „Untermenschen“ machen wird. Wie fühlen Sie sich hier?
Ich hatte ein Gespräch mit den Vertretern vom AStA und es hat, wie ich finde, ein stalinistisches Verhör begonnen. Es wurden eine Reihe von Fragen heruntergelesen, aber das kam vielleicht von einer Verunsicherung. Man war der Meinung, daß nach einem Gespräch mit mir die Sache doch anders ausschaut.
Seitdem Ihre Mitgliedschaft in der Sekte öffentlich ist, sehen jedenfalls viele in Ihrer Kunst plötzlich Gewaltverherrlichung.
Das ist nämlich das Interessante! Vorher war das nie der Fall.
Fühlen Sie sich jetzt als Märtyrer?
Nee! Aber aufgrund einseitiger Information wird jemand in einem Schnellverfahren abgeurteilt, und das ist gegen jedes demokratische Verständnis. Selbst wenn jemand ein Verbrecher wäre, muß ich ihn immer anhören. Ich würde einem Künstler doch auch zugestehn, daß er Katholik ist und die Kommunion nimmt und glaubt, er muß das Blut des Herrn trinken, um in die Seligkeit einzugehen.
Wie kann man als Geschädigter der katholischen Kirche wieder von einer Glaubensgemeinschaft fasziniert sein?
Wir sind jetzt da, wo ich nicht hin will. Ich sage nur: ich lese bestimmte Sachen und finde bestimmte Sachen sehr logisch und für mich persönlich interessant. Aber das ist keine Empfehlung. Man denkt im Abendland, Religion sei immer so was wie Christentum, also Zwangsmissionierung, Verdammung der anderen. Ich bin gegen jede Art von Konfession, die zwanghaft oder suggestiv erfolgt. Und nun, wo die Leute ja jetzt gewarnt sind, können sie ja leicht dieser vermeintlichen Gefahr aus dem Weg gehen. Ist doch toll.
Sind Sie ein Thetan?
Was?
Ein nach dem Sekten-Codex unsterbliches Geistwesen?
Ein Mißverständnis. Das Wort Thetan kommt vom griech. Buchstaben Theta, das heißt Geist, Gedanke, Wort und ist eine Bezeichnung für das Individuum, für den Menschen, also nicht für den Körper. Interview: Claudia Kohlhase
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