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In Polen kann der Betriebsrat den Firmendirektor feuern

Ausländer bevorzugen Kommunisten wegen ihrer Beziehungen als Manager/ Manche Bosse lassen sich außerordentlich gerne über den Tisch ziehen  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

Seit ungefähr einem Jahr sind Polens Firmenchefs ganz in der Hand der Belegschaften. Nach einer entsprechenden Änderung des „Gesetzes über die Staatsbetriebe“ werden die Direktoren staatlicher Firmen per Wettbewerb vom Betriebsrat ausgewählt. Während früher der zuständige Minister aus den Gewinnern der Ausschreibung den künftigen Direktor wählte, hat die Regierung nun keine Einflußmöglichkeit mehr.

Die neue Methode sollte ursprünglich zu einer Entpolitisierung der Manager führen, geführt hat sie aber in vielen Fällen zu einer größeren Abhängigkeit der Firmenchefs von den Betriebsräten. Denn in Polens Staatsbetrieben haben sie viele Befugnisse westlicher Aufsichtsräte übernommen. So kontrollieren sie die Firmenleitung und können sie sogar feuern. Reorganisierungen, Beteiligungen an anderen Firmen, Privatisierungen — das alles ist von ihrer Zustimmung abhängig. Gewählt werden die Räte von der Belegschaft.

Das hat dazu geführt, daß viele Direktoren zwar ihren Ministern die kalte Schulter zeigen können, keinesfalls aber der Belegschaft und den Gewerkschaften.

Viele Manager entziehen sich dieser Abhängigkeit und wandern in die Privatwirtschaft ab. Während die Kader von einst häufig auf Druck von Solidarnosc-Betriebszellen wegen ihrer kommunistischen Vergangenheit bekämpft werden, werden sie gerade von ausländischen Firmen mit offenen Armen aufgenommen.

Und Joint-venture-Betriebe machen sich die Erfahrungen und Verbindungen der ehemaligen PVAP- Manager gern zunutze: Zum Auffinden und Ausnutzen von Gesetzeslücken, für den Zugang besonders zu den mittleren Ebenen der Ministerien, und ganz allgemein in Sachen Bürokratie und Vetternwirtschaft sind Fachleute mit jahrzehntelanger Berufserfahrung in Polen geradezu unersetzlich. Prominentestes Beispiel: der ehemalige Vizepremier Sekula und Ex-Wirtschaftsminister Wilczek, beide früher in der PVAP, gründeten mit einem japanischen Unternehmen eine Consulting- Firma.

Um so schwärzer sieht es dagegen oft dort aus, wo die Manager in der Staatswirtschaft bleiben, aber keine Erfahrung mit internationalen Kontakten haben. Vor einigen Tagen erst wurde in Warschau der „General Trade Index“ vorgestellt, ein Verzeichnis aller polnischen Betriebe, die Zusammenarbeit mit westlichen Firmen suchen. Jede Firma gibt darin eine Kontaktperson und die entsprechende Fremdsprache für Verhandlungen an — doch hinter vielen Firmennamen findet sich dort nur Russisch.

Die Managerschulen, im Rahmen von Hilfsprogrammen durch westliche Regierungen organisiert, werden von Interessenten geradezu überrannt. Doch mit westlichen Interessenten verhandeln müssen die TeilnehmerInnen meist schon, bevor der Kurs zu Ende ist.

Und hier kann Mangel an Erfahrung schnell zu fatalen Folgen führen, Folgen, die die SteuerzahlerInnen manchmal horrende Summen kosten. So etwa ließ sich der frühere Chef der Warschauer Autofabrik FSO, Olejnik, auf eine Absprache mit dem Fiat-Konzern ein, derzufolge FSO mit keinem weiteren möglichen Konkurrenten verhandeln durfte. Dadurch erhielten die Italiener die Möglichkeit, den Polski-Fiat- Bauern ihre Bedingungen zu diktieren.

In diesem Fall jedoch ging die Sache glimpflich aus, als nach dem Abtritt Olejniks die neue Direktion Gespräche mit General Motors und Hyundai aufnahm. Es zeigte sich, daß FSO bei entsprechender Verhandlungstaktik durchaus Chancen hatte, die westlichen Interessenten gegeneinander auszuspielen. In Gdingen ließ sich jedoch die Leitung der Werft „Pariser Kommune“ von ihrem norwegischen Vertragspartner dazu überreden, unrentable Aufträge für westliche Reedereien zu stornieren. Folge: Die Schadenersatzforderungen der westlichen Reeder waren so hoch, daß die Werft in völlige Abhängigkeit der Norweger geraten wäre.

Westliche Geschäftsleute in Warschau wundern sich häufig über die große Naivität, die ihnen von ihren polnischen Partnern entgegengebracht wird. „Die sind der Ansicht, sie brauchen bloß einen westlichen Investor zu finden, und schon wird alles gut, und das Geld wird nur so fließen“, erzählt ein Beteiligter. Diese Überzeugung wird bis jetzt noch genährt durch das derzeitige Joint-venture-Gesetz, das das alleinige Zustandekommen eines gemeinsamen Unternehmens bereits mit dreijährigen Steuerferien, der Befreiung von der Lohnzuwachssteuer und Exporterleichterungen belohnt.

Daß westliche Investoren versuchen, ihre polnischen Partner über den Tisch zu ziehen, kommt häufig vor. Erstaunlich dagegen ist, daß polnische Direktoren es inzwischen auch geschafft haben, sich gerne über den Tisch ziehen zu lassen — und dabei abkassieren. Das geht so: Ein westliches Unternehmen unterbreitet einen für den Staatsbetrieb ungünstigen, für sich selbst jedoch außerordentlich lukrativen Kooperationsvertrag für ein Joint-venture. Der polnische Direktor des Staatsbetriebs wird anschließend Geschäftsführer des Joint-ventures, wodurch er ein Vielfaches seines bisherigen Lohnes erhält — ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Auf die Spitze getrieben haben dies einige Direktoren, denen es gelang, im zuständigen Ministerium auch noch die Liquidierung des Staatsunternehmens durchzusetzen und anschließend die Konkursmasse dem ausländischen Betrieb einzuverleiben.

Um dem ein Ende zu bereiten, hat die Regierung verfügt, daß DirektorInnen und Mitglieder der Betriebsräte direkt am Gewinn beteiligt werden. Statt umgerechnet eintausend Mark im Monat kann so eine polnische ManagerIn bis zu achttausend Mark verdienen — krumme Touren, so die stille Hoffnung des Finanzministeriums, hat sie dann nicht mehr nötig.

In den Betrieben hat die Verordnung dagegen für böses Blut gesorgt: Während die Lohnzuwachssteuer die Einkommenssteigerungen für die Belegschaften drastisch begrenzt, unterliegen die Gewinnanteile von DirektorIn und Betriebsrat nicht der berüchtigten Lohnbremse.

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