Anklage: Leisler Kiep hat Gesetze bewußt verletzt

■ Plädoyers im letzten großen Parteispendenverfahren: Schwere Vorwürfe gegen CDU-Schatzmeister, Politik und Wirtschaft

Düsseldorf (dpa) — Im letzten großen Parteispendenprozeß der Bundesrepublik, dem Verfahren gegen CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep und dessen Generalbevollmächtigten Uwe Lüthje, hat am Montag vor der 3. Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf die Staatsanwaltschaft mit ihrem auf zwei Tage angesetzten Plädoyer begonnen.

Den beiden wegen fortgesetzter Beihilfe zur Steuerhinterziehung Angeklagten sei wie allen am Parteispendenkomplex Beteiligten aus Politik und Wirtschaft bewußt gewesen, daß sie geltende Gesetze verletzten, indem sie in den 60er und 70er Jahren den Parteien zugedachte Gelder zunächst über Tarnorganisationen leiteten, betonte der Bonner Staatsanwalt Andreas Schütz. Die massiven jahrelangen Bemühungen von Politikern und Unternehmen, die Arbeit der Ermittlungsbehörden seit 1981 „in ungewöhnlicher Weise zu erschweren“, hätten maßgeblich zur Länge der Parteispendenverfahren beigetragen.

Kiep und Lüthje sollen laut Anklage einen maßgeblichen Beitrag dazu geleistet haben, daß in den 70er Jahren 19 Großspenden namhafter deutscher Unternehmen von insgesamt 18,5 Millionen Mark nicht direkt an die CDU, sondern zunächst an die als steuerbegünstigt anerkannte „Staatsbürgerliche Vereinigung Köln/Koblenz“ (SV) flossen. Von dort, so die Staatsanwaltschaft, wurden die Gelder über in- und ausländische Deckadressen in die Parteikassen transferiert. Dieser illegale Weg, der das Spendenaufkommen vergrößerte, weil er den Unternehmen Steuervorteile einbrachte, habe den Fiskus um mehr als neun Millionen Mark geschädigt.

„Wer über Tarnorganisationen Steuervorschriften aushebelt, ist sich bewußt, daß er Gesetze verletzt“, unterstrich Schütz die rechtliche Bewertung der Anklagebehörde. Spätestens seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 1958 habe die Rechtslage in eindeutiger Weise die Umwegfinanzierung nicht zugelassen. „Ebenso eindeutig war allerdings die Weigerung der Parteien, sich daran zu halten“, sagte der Staatsanwalt weiter.

Allerdings sei die „langjährige Tradition der illegalen Parteienfinanzierung“ nicht auf die Angeklagten Kiep und Lüthje zu beschränken, sondern auch „von anderen Personen in den Führungsgremien zu vertreten“. Schütz erinnerte an einen Aktenvermerk des von Terroristen ermordeten FDP-Schatzmeisters Heinz-Herbert Karry aus dem Jahr 1976, wonach er und seine Kollegen „auf dem Weg in die schwere Kriminalität“ seien, wenn sie alles täten, was ihre Parteien von ihnen erwarteten.

Der Bonner Staatsanwalt beklagte in seinem Plädoyer den „in der deutschen Justizgeschichte einmaligen Versuch“, mit einer „Flut von Publikationen“ die Strafbarkeit der illegalen Parteienfinanzierung in Zweifel zu ziehen. Auch hätten die „guten Kontakte innerhalb der Wirtschaft“ dazu geführt, daß Durchsuchungen in den Führungsetagen „nicht mehr unerwartet“ gekommen seien. Viele Beweismittel seien deshalb bereits verschwunden gewesen, vielfach hätten nur zufällige Funde auf die Spur der Spender geführt.

Allein im Fall Kiep/Lüthje hätten die Staatsanwälte ihr Beweismaterial aus dem Ergebnis von insgesamt 160 Durchsuchungen zusammenstellen müssen. Schütz erinnerte auch an ein „Strategiepapier“ des Angeklagten Lüthje aus dem Jahr 1984, worin den Spendern empfohlen worden war, „den Weg durch die staatlichen Instanzen in sturer Beharrlichkeit“ zu gehen und nicht einmal Teilgeständnisse abzulegen.

Der Prozeß wird mit den Strafanträgen der Staatsanwaltschaft heute fortgesetzt.