: Erdbeerbier und Entwicklungshilfe
In Straßburg läuft gerade eine wirklich interessante Ausstellung: die „Internationale Biermesse Eurobiere“. Mehr als 2.000 verschiedene Biersorten kann man bestaunen und antesten. Neugierde wecken vor allem Belgier und Franzosen, die Erdbeer-, Himbeer- oder Kirschbier anbieten. Menschenaufläufe auch jeden Tag vor dem Stand eines elsässischen Bierbrauers, der ein potenzsteigerndes Liebesbier aus verschiedenen Kräutern zusammengemixt hat. Ein japanisches Bier fällt vor allem durch seine Verpackung auf. Die silberglänzende Büchse darf jedoch nicht in Europa verkauft werden. Sie entspricht nicht der EG-Bierdosennorm. Weiter gibt es Biere aus Rumänien, Mexiko, der Schweiz und Spanien zu probieren. Das größte Kontingent der Aussteller stellen natürlich die Deutschen, die größten Produzenten und Konsumenten des Gerstensaftes innerhalb der EG.
Der Bierausstoß der deutschen Brauereien steigt ständig. Im vergangenen Jahr allein um 12 Prozent. Es wurden 11,2 Millionen Hektoliter mehr, insgesamt 104,3 Millionen produziert — die Menge würde schon einen anständigen See abgeben. Diese Wahnsinnsproduktion sei vor allem auf die gestiegene Nachfrage aus den neuen Bundesländern zurückzuführen, behauptet das Bundesernährungsministerium. In der alten DDR haben sie auch schon früher einiges weggeschluckt, aber wie's aussieht, fangen sie jetzt erst richtig an. Natürlich sind wir in den alten Bundesländern auch nicht schlecht. Das Fernsehmagazin Panorama deckte z.B. auf, daß jeder sechste Krankenhausarzt bei uns ein Alkoholproblem hat. „Ich habe oft erlebt“, gestand eine Krankenschwester, „daß Ärzte bei den Operationen zitternde Hände hatten.“
Mit unserem tollen Bier kann man auch in fremden Ländern prima Geschäfte machen. Bayern will demnächst in China ein „Bier- und Getränke-Fortbildungsinstitut“ bauen. Die für die Brauerei in der Provinz Shandong benötigten 1,9 Millionen Mark werden im Haushaltsplan unter Entwicklungshilfe ausgewiesen. Das rief die SPD auf den Plan. Sie ließ anfragen: „Was hat die Förderung eines Bierinstituts mit Entwicklungshilfe zu tun?“ Die Sozialdemokraten übersahen dabei allerdings eine alte deutsche Weisheit, wonach ein Liter Bier eine komplette Mahlzeit ersetzen kann. Die Bayern bewiesen also Weitblick. Wenn sie so weitermachen und da eine neue Hungersnot schon vor der Tür steht, werden sie ihre nächste Brauerei wahrscheinlich in Äthiopien bauen. Karl Wegmann
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